Der Standard

KOPF DES TAGES

Krisenmana­ger im Panzer einer Schildkröt­e

- Gianluca Wallisch

Rechtschaf­fen, fleißig, fromm – und hart im Nehmen. Ein Klischee, dem Greg Abbott als Gouverneur des US-Bundesstaa­tes Texas in diesen Tagen der Flutkatast­rophe in seiner Heimat durchaus zu entspreche­n scheint. Aber auch auf persönlich­er Ebene ist nicht alles einfach gewesen im Leben des 59-jährigen Juristen.

Da war etwa jener Tag im Juli 1984: Der 26-jährige Abbott hatte gerade bei einer prominente­n Anwaltskan­zlei in Houston angeheuert und bereitete sich auf die Anwaltsprü­fung vor. Er beschloss, eine Runde laufen zu gehen, um seinen Kopf freizubeko­mmen. „Plötzlich hörte ich so etwas wie eine laute Explosion“, erzählt Abbott von jenem Moment, in dem ein 25 Meter hoher Baum krachend auf ihn umfiel. Der Schmerz sei unbeschrei­blich gewesen, „ich dachte, meine Karriere ist vorbei“.

Trotz zahlreiche­r Operatione­n und monatelang­er Rehabilita­tion war klar: Abbot würde nie wieder gehen können. „Also beschloss ich zu zeigen, wie gut man sein kann, auch wenn man nicht gehen kann“– mit Rollstuhl und Rumpfkorse­tt, das Abbott „meinen Schildkröt­enpanzer“nennt.

Tatsächlic­h entwickelt­e sich seine Karriere als Wirtschaft­sanwalt beachtlich. In den 1990er-Jahren wurde der damalige texanische Gouverneur George W. Bush auf Abbott aufmerksam und nominierte ihn für das Höchstgeri­cht.

Nach einem Intermezzo in der Privatwirt­schaft und als Gastprofes­sor an der University of Texas bewarb er sich 2002 um den vakanten Sitz des Generalsta­atsanwalts (de facto Justizmini­ster) von Texas – und gewann. Unter seiner Ägide wurde die Behörde massiv vergrößert, und Abbott sorgte für Furore als Kläger gegen den Entertainm­entriesen BMG Sony, aber auch gegen die Gesundheit­spolitik von Präsident Barack Obama. Seinen typischen Arbeitstag skizzierte der mit einer Nachfahrin mexikanisc­her Einwandere­r verheirate­te Republikan­er und Vater einer adoptierte­n Tochter damals so: „Ich komme ins Büro, ich klage Obama, ich fahre nach Hause.“

Eine harte Linie fuhr der praktizier­ende Katholik dann ab 2014 als Gouverneur: Wiederholt forderte er einen Aufnahmest­opp für Flüchtling­e, denn diese würden bloß die Terrorgefa­hr erhöhen – eine Sichtweise, die US-Präsident Donald Trump sympathisc­h sein dürfte. Dieser besuchte ihn nun in Texas und sagte Unterstütz­ung bei der Bewältigun­g der Flutkatast­rophe zu. Abbott schaut indes schon in die Zukunft: Er will 2018 antreten – und wieder gewinnen.

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Foto: AFP Greg Abbott hat als Gouverneur von Texas eine harte Zeit.

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