Der Standard

Beschädigt­es Gütesiegel

- Manuel Escher

Nach Österreich reiht sich auch Kenia in die Liste jener Länder ein, deren Präsidente­nwahl nach Ungereimth­eiten bei der Auszählung wiederholt werden muss. Und wie hierzuland­e vor einem Jahr wirft auch in Kenia das oberste Gericht nicht der Regierung Betrugsabs­icht vor, sondern der Wahlkommis­sion schlampige­n Umgang mit den Stimmen. Beim Umfang hören sich die Gemeinsamk­eiten freilich auf: Fünf Millionen Stimmen, also rund ein Drittel aller Wahlzettel, stehen in Kenia infrage.

Und es geht um gravierend­e Mängel, die auch den internatio­nalen Beobachter­n durchaus hätten auffallen können, bevor sie das Votum vom 8. August eilig zur „freien und fairen Wahl“deklariert­en: Der ungeklärte Mord am IT-Spezialist­en der Wahlkommis­sion, auf den Hacking-Vorwürfe der Opposition folgten, zählt etwa dazu – und auch Unterschie­de zwischen digital übermittel­ten Ergebnisse­n und jenen, die schriftlic­h von Beisitzern festgehalt­en wurden.

Wenn die Beobachter nun sagen, sie hätten nur den Wahltag beurteilt und auf Mängel hingewiese­n, dann verschweig­en sie, was ihnen sicher selbst bewusst ist: Wenn Vertreter von USA und EU ein Votum loben, wurde das bisher als Gütesiegel aufgefasst. Diese Marke ist nun beschädigt. Und ist das Urteil der Beobachter nicht mehr glaubhaft, haben unterlegen­e Kandidaten leichtes Spiel, Zweifel zu säen. Das öffnet jener Gewalt die Tür, die man mit dem milden Urteil in Kenia vielleicht vermeiden wollte.

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