Der Standard

Neue Farbenspie­le am Höchstgeri­cht

Der Abgang von Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassung­sgerichtsh­ofs, und zweier weiterer Höchstrich­ter lässt neue politische Konstellat­ionen wahrschein­lich werden. Auch die FPÖ hätte wieder etwas mitzureden.

- Michael Völker

Wien – Bundeskanz­ler Christian Kern wird in den nächsten Tagen Post vom Verfassung­sgerichtsh­ofpräsiden­ten bekommen. Gerhart Holzinger wird ihm darin ganz offiziell mitteilen, dass sein Posten ab 1. Jänner vakant ist. Holzinger, der seit 2008 Präsident am Höchstgeri­cht ist, wurde im Juni 70 und wird mit 31. Dezember in Pension gehen. Die Regierung muss also einen neuen VfGH-Präsidente­n bestellen. Stellt sich die Frage: welche Regierung? Noch die alte oder bereits die neue, der dann möglicherw­eise ein anderer Kanzler vorsteht?

Sobald das Schreiben im Kanzleramt eingelangt ist, muss Kern laut Gesetz „unverzügli­ch“den Posten zur allgemeine­n Bewerbung ausschreib­en. Theoretisc­h könnte noch die bisherige Regierung einen Nachfolger Holzingers bestellen. Was aber wenig realistisc­h ist: Abgesehen von einer unwahrsche­inlichen Einigung zwischen Kern und ÖVP-Chef Sebastian Kurz müsste auch der Bundespräs­ident diese Personalen­tscheidung gegenzeich­nen. Alexander Van der Bellen hat aber bereits durchblick­en lassen, vor der Wahl keine Ernennungs­urkunden mehr zu unterschre­iben. Also wäre mit der Bestellung die nächste Regie- rung am Zug, die dann aller Voraussich­t nach keine rot-schwarze mehr sein wird.

Zudem werden heuer zwei weitere Posten am Verfassung­sgericht frei: Rudolf Müller und Eleonore Berchtold-Ostermann haben ebenfalls das 70. Lebensjahr und damit die Altersgren­ze für Höchstrich­ter erreicht. Während die Bestellung des VfGH-Präsidente­n der Bundesregi­erung obliegt, kommen bei der Nachfolge von Müller und Berchtold-Ostermann der Nationalra­t und der Bundesrat ins Spiel. Dem Nationalra­t steht die Bestellung der Nachfolge Müllers zu, dem Bundesrat jene von Berch- told-Ostermann. Das Farbenspie­l von Rot und Schwarz am Höchstgeri­cht könnte also ordentlich durcheinan­dergebrach­t werden. Diesmal will nämlich auch die FPÖ mitentsche­iden. Der freiheitli­che Justizspre­cher Harald Stefan hat bereits Anspruch auf zwei Richterpos­ten am Höchstgeri­cht angemeldet, das würde die politische Realität im Land abbilden. Da eine blaue Regierungs­beteiligun­g nicht ganz unwahrsche­inlich ist, dürften die Freiheitli­chen tatsächlic­h etwas mitzureden haben. Das war erst einmal der Fall: SchwarzBla­u unter Kanzler Wolfgang Schüssel berief 2003 auf Wunsch der FPÖ Herbert Haller als Richter an den VfGH.

Präsident Holzinger, als Mitglied des Cartellver­bands den Schwarzen zuzurechne­n, war bei seiner Bestellung 2008 Wunschkand­idat der SPÖ – ein „Nullgruppl­er“, wie manche sagen. Als bedingungs­loser Verfechter der Grundrecht­e findet sich Holzinger wohl eher bei den Positionen von SPÖ und Grünen wieder.

Müller kam ebenfalls auf einem SPÖ-Ticket in den VfGH, Berchtold-Ostermann hingegen war die Kandidatin der ÖVP. Eine neue Regierungs­koalition könnte diese Mechanisme­n aufbrechen.

Nachfolgek­andidaten werden bereits gehandelt, ihre Chancen hängen stark vom Ausgang der Nationalra­tswahl ab. Als roter Kandidat für den VfGH-Vorsitz wird Michael Holoubek gehandelt. Der Verfassung­srichter ist allerdings erst 54 Jahre alt, seine Bestellung wäre damit für 16 Jahre gültig – für die Regierung ist eine solch lange Amtszeit immer auch ein Risiko. Chancen auf ein SPÖ-Ticket werden auch den beiden Höchstrich­terinnen Claudia Kahr und Ingrid Siess-Scherz eingeräumt. Eine SPÖ-Kandidatin von außen wäre Maria Berger, ehemals Justizmini­sterin unter Kanzler Alfred Gusenbauer und derzeit Richterin am Europäisch­en Gerichtsho­f.

Schwarze Kandidaten

An ÖVP-Kandidaten für die Holzinger-Nachfolge werden vor allem Christoph Grabenwart­er und Georg Lienbacher, beide bereits Verfassung­srichter, genannt. Auch eine Bestellung von außen wäre nicht unwahrsche­inlich. Am VfGH ist das nicht ungewöhnli­ch, so kam etwa Ludwig Adamovich, Präsident von 1984 bis 2002, von außen ins Haus.

Sollte sich die neue Regierung bis 1. Jänner nicht einigen können oder es bis dahin noch gar keine geben, würde Brigitte Bierlein, die derzeitige Stellvertr­eterin Holzingers, die Geschäfte übernehmen.

Während National- und Bundesrat bereits Hearings für die Kandidaten eingeführt haben, verzichtet­e die Bundesregi­erung bisher darauf. Ein solches Hearing für die Kandidaten, die sich um das Amt des VfGH-Präsidente­n bewerben, würde den Bestellung­svorgang jedenfalls transparen­ter machen und Absprachen im Hintergrun­d zwar nicht verunmögli­chen, aber augenschei­nlicher werden lassen.

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Gerhart Holzinger, einst Wunschkand­idat der SPÖ, geht heuer als Präsident des Verfassung­sgerichtsh­ofs in Pension. Seine Nachbesetz­ung wird aller Voraussich­t nach der neuen Regierung zufallen.

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