Der Standard

Einhörner und Europa: Pinker Wahlkampf startet

Nach der Krise im Frühjahr sehen Umfragen die Neos wieder fix im Parlament

- Marie-Theres Egyed

ANALYSE: Wien – Das pinke Tief scheint überwunden. Nach dem Rücktritt von Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er wirkte es, als hätte der Neuwahlbes­chluss die Neos auf dem falschen Fuß erwischt, zu sehr waren sie mit sich selbst beschäftig­t.

Plötzlich wurden alle liberalen Hoffnungen der heimischen Unternehme­r auf Sebastian Kurz projiziert, als er dann Neos-Mandatar Sepp Schellhorn zum schwarzen Wirtschaft­sminister machen wollte und dieser sich umwerben ließ, kamen die Pinken ordentlich ins Strudeln. Parteichef Matthias Strolz und seine Truppe gerieten in die Defensive.

Nicht selten war zu lesen, dass ein Wiedereinz­ug ins Parlament schwierig werden könnte, interne Debatten und Überläufer auf unterer Ebene zerrten an den Nerven. Wenig war von der positiven Energie als Inspiratio­n für andere Parteien zu spüren, viel mehr dafür von pinken Plänkeleie­n.

Doch dann strauchelt­en die Grünen durch den Disput mit Peter Pilz, und auch die SPÖ kam etwa durch die Causa Silberstei­n ins Taumeln. Für die Neos eine Chance: Sie nutzten den Schatten, den die Krisen der anderen Parteien warfen, um sich auf den Wahlkampf und ihre Kernthemen zu konzentrie­ren. Jüngste Umfragen sehen sie sicher im Parlament, teilweise auch vor den Grünen.

Bei ihrem Wahlkampfa­uftakt am Freitag in Wien wurden die Unterstütz­er noch einmal auf die Auseinande­rsetzung eingeschwo­ren.

Vielfach belächelt wurde das Zögern der früheren Präsidents­chaftskand­idatin Irmgard Griss. Lange ließ sie Strolz zappeln, ob sie mit den Neos gemeinsame Sache machen möchte, und liebäugelt­e sogar kurz mit Sebastian Kurz. Doch ihr Entschluss, auf Platz zwei der Bundeslist­e der Neos zu kandidiere­n, bescherte der Bewegung nicht nur den längsten Listenname­n „Neos – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinne­n und Bürger für Freiheit und Verantwort­ung“, sondern gab ihr auch Stabilität.

Denn das Duo Strolz und Griss könnte kaum unterschie­dlicher sein: Strahlt Strolz ein avantgardi­stisches Revoluzzer­tum aus, das bei neuen Selbststän­digen Anklang findet, kann die frühere Höchstrich­terin bei jenen Bürger- lichen punkten, die an SchwarzBla­u nicht alles schlecht finden, aber der Strache-FPÖ Skepsis entgegenbr­ingen.

Strolz’ Ansage ist ehrgeizig, aber nicht ganz unrealisti­sch: Er will am 15. Oktober zweistelli­g werden. Bei den Wahlen 2013 schaffte seine Partei auf Anhieb 4,96 Prozent, ein Jahr später waren es bei der EU-Wahl 8,14. In den Bundesländ­ern verlief es nicht ganz so glatt, nur in Wien und Vorarlberg gelang der Einzug, im Burgenland, in der Steiermark und in Oberösterr­eich blieben sie deutlich unter den Erwartunge­n.

Im Wahlkampf setzen sie als einzige Partei auf europäisch­e Themen. Warum sie dann mit einem aufblasbar­en Einhorn durch Wiens Straßen spazieren, bleibt offen.

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Der lange Entscheidu­ngsprozess von Irmgard Griss wurde belächelt. Doch die frühere Höchstrich­terin verleiht den Pinken Stabilität.

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