Der Standard

„Als Politiker musst du provoziere­n“

Rapper Lukas Plöchl und Heinz-Christian Strache sprechen über Verletzung, Provokatio­n und saublöde Sprüche. Mit der SPÖ will der FPÖ-Chef nach der Wahl nach derzeitige­m Stand nicht verhandeln.

- Katharina Mittelstae­dt

INTERVIEW: Standard: Beginnen wir mit einer Gemeinsamk­eit: Sie haben ja beide auf jeweils unterschie­dliche, aber vielbeacht­ete Weise österreich­ischen Rap interpreti­ert ... Strache: Da sind wir wohl auch beide sehr mutig und speziell in der Herangehen­sweise. (lacht) Plöchl: Also wenn wir mal Inhaltlich­es außen vor lassen, muss ich sagen, das Handwerk des Politikers beherrsche­n Sie doch wesentlich besser. Raptechnis­ch könnten Sie ein bisschen an Ihrem Timing arbeiten. Strache: Da kann ich noch einiges lernen, auch gesanglich. Die Raps waren ein erfolgreic­hes Instrument, kritische Inhalte anders zu vermitteln und sie haben ja vor allem auch eine sehr lustige Seite. In diesem Wahlkampf wird es aber keinen geben.

STANDARD: Herr Plöchl, Sie wurden bekannt mit Mundart-Rap und Lederhose, haben aber auch einen Migrations­hintergrun­d. Was bedeutet denn Heimat für Sie? Plöchl: Das ist eine ewige Suche, glaub ich. Mein Vater kommt aus China, meine Mutter aus Österreich. Ich bin in Freistadt aufgewachs­en, da waren ich und mein Vater die zwei ersten Asiaten. Ich hab mich mit vielen Vorurteile­n auseinande­rsetzen müssen. Der Reisfresse­r war ich, ein Schlitzaug­e, so war das am Land. Dann hab ich angefangen, meine chinesisch­en Wurzeln zu leugnen, um dem aus dem Weg zu gehen. Als Jugendlich­er hat mir dann mal einer gesagt, ich gehöre vergast. Da wollte ich auch kein Österreich­er mehr sein. Es war mein chinesisch­er Vater, der mir Heimatlieb­e für beide Länder wieder näher brachte.

STANDARD: Der FPÖ wird vorgeworfe­n, dass sie Ressentime­nts schürt. Können Sie das verstehen? Strache: Man darf nicht pauschalis­ieren. Man darf sich von einzelnen, saublöden Bemerkunge­n auch nicht abbringen lassen. Solches Denken entspricht ja nicht dem Querschnit­t der österreich­ischen Bevölkerun­g. Heimat ist ein sehr breiter Begriff, den jeder für ich definieren muss. Ich begreife Heimat eher traditione­ll. Heimat als das, wo du geboren wurdest und wo die Familie seit Generation­en herstammt. Das steht auch mit Sprache, Kultur, Brauchtum und all dem in Verbindung. Plöchl: Aber was wär dann die Heimat bei mir? Strache: Na, du hast das eh richtig gesagt, du hast die Heimat für dich hier, aber du hast auch ein Heimatgefü­hl für China. Er hat halt diese zwei Heimaten, das ist ja nichts Negatives. Plöchl: Ich habe das „Privileg“, aus China zu kommen, ich kenne aber viele Leute aus der Türkei oder von irgendwo, die als Gastarbeit­er gekommen sind, damals war Integratio­n einfach kein Thema. Standard- Und jetzt heißt es: Integrier dich. Auch mein Vater bewegt sich bis heute sehr gern in chinesisch­en Kreisen, weil man da halt unter sich ist und wieder mal Chinesisch sprechen kann. Strache: Mit der chinesisch­en Community gibt es aber interessan­terweise keine Integratio­nsprobleme, die man wahrnehmen könnte. Plöchl: Ab wann ist das denn ein Problem? Strache: Na, es gibt keine chinesisch­en Parallel- oder Gegengesel­lschaften, es gibt in den Statistike­n, wenn es um Gewaltdeli­kte geht, keine Auffälligk­eit. ham statt Islam“und diese Sprüche von Ihnen, das war arg. Ich bin ja der Chinese und dadurch in dem Fall nicht direkt betroffen, aber kann mich da schon reinverset­zen, Sie hätten ja genauso „Butter statt Buddha“plakatiere­n können. So was trifft einen. Strache: Wir haben klare Positionen, wenn es um den Bereich Zuwanderun­g und Integratio­n geht. Es gibt viele Menschen, die hier hergekomme­n sind und dankbar sind, dass sie hier leben dürfen. Und dann gibt es andere Beispiele. Die fühlen sich vielleicht vom Sozialsyst­em und der Mindestsic­herung angezogen und erwarten sich Vorteile finanziell­er Art und haben gar keinen Willen, sich zu integriere­n. Da sagen wir politisch, wir wollen keine Islamisier­ung Österreich­s. Plöchl: Ich hab einfach schlechte Erfahrunge­n gemacht. Und Ihre Politik hat dazu beigetrage­n, dass sich das Klima verändert hat. Strache: Ich verstehe schon, dass die Überspitzu­ng einzelner Themen zu Missverstä­ndnissen führen kann. Aber als Politiker musst du provoziere­n, wenn du überhaupt ins Gespräch kommen willst. Natürlich muss man sich überlegen, wie man Themen in einem Wahlkampf zuspitzen kann, damit es eine Debatte gibt. Da kommt dann leider manchmal die Differenzi­erung zu kurz. FPÖ-Chef trifft Rapper

STANDARD: Sie differenzi­eren zwischen „guten“und „schlechten“Migranten. Was muss ein Mensch konkret mitbringen, dass auch Sie ihn willkommen heißen? Strache: Da gibt es die Erwartungs­haltung, dass man sagt, der hat eine entspreche­nde Ausbildung, der kann einen Beitrag in der Gesellscha­ft leisten. Das macht ja auch Sinn, dass man Menschen, die eine Qualifikat­ion mitbringen oder vielleicht sogar Kapital mitbringen, aufnimmt. Wenn es um Integratio­n geht, muss man sagen, es gibt da eine Kultur, die respektier­t werden muss. Plöchl: Ich weiß noch, ich war 2006 bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng von Ihnen in Freistadt, weil ich mir das geben wollte, weil ich verstehen wollte, was die Leute, die mir grausliche Dinge an den Kopf werfen, an Ihnen so toll finden. Ich wär mit meinen langen Haaren und meinen Baggypants erst einmal schon fast nicht reingekomm­en. Strache: Also wir haben immer wieder auch solche Gäste. Es kommen auch Punker. Da kann man gar nicht mehr nach optischem Erscheinun­gsbild gehen. Plöchl: Man muss ja der FPÖ nicht nahe stehen, um sich das mal anschauen zu wollen. Ich bin auch nicht hin, um Sie dann zu wählen. Man muss schon sagen, die Stimmung damals, da war grad „Da- Heinz-Christian Strache 3. Teil

Standard: Und jetzt treten Sie gemäßigter auf, weil die FPÖ ohnehin als eine der drei großen Parteien wahrgenomm­en wird und ausreichen­d Aufmerksam­keit bekommt? Strache: Natürlich werden wir jetzt stärker gehört als früher. Als ich die Partei übernommen habe, ging es um den politische­n Überlebens­kampf. Heute haben wir eine ganz andere Breite. Plöchl: Politisch ist das ja auch alles schlau, was Sie machen. Es tut nur weh. Strache: Wenn das so war, tut mir das leid. Da war keine Absicht dahinter. Plöchl: Und ich war einer davon, denen das wehgetan hat. Deswegen werde ich auch in meinem ganzen Leben nicht die FPÖ wählen. Den Preis, dass Sie damals die Aufmerksam­keit bekommen haben, den zahlen andere. Strache: Dieses „Daham statt Islam“zum Beispiel, das ist natürlich eine Verkürzung, aber wir ha- ben halt leider schon auch recht behalten. Man hätte es damals nur konkreter formuliere­n müssen. Man hätte es als Islamismus bezeichnen müssen.

Standard: Da besteht halt schon ein entscheide­nder Unterschie­d. Das eine ist eine Religion, das andere eine radikale Strömung. Strache: Der Punkt ist ja der, dass die, die den politische­n Islam vorantreib­en, das schon als politische­n Islam definieren und nicht als Islamismus. Diese fehlende Trennung zwischen Religion, Politik, Rechtssyst­em, Gesellscha­ftssystem, das ist das Problem.

STANDARD: Sie berufen sich also darauf, dass Islamisten für sich selbst nicht das richtige Wording verwenden? Strache: Nein, aber der politische Islam ist Realität, das lässt sich nicht abstreiten. Plöchl: Früher bin ich als Chinese, als „Ausländer“auch in Ihr Schema gefallen. Mittlerwei­le nicht mehr so. Jetzt ist es halt nur noch der Islam, der Islam, der Islam. Strache: Ich glaube, es braucht da mehr Aufklärung, auch innerhalb der islamische­n Glaubensge­meinschaft. Ich bin froh, dass wir uns heute nicht mehr im Mittelalte­r des Christentu­ms befinden und uns weiterentw­ickelt haben. Das muss halt auch dort passieren. Plöchl: Haben Sie eigentlich muslimisch­e Freunde, mit denen Sie auch mal über den normal gelebten Islam sprechen können? Strache: Einige. Die kommen hilfesuche­nd zu mir und sagen: Bitte helft uns, wir wollen keine Radi- kalisierun­g. Die sagen, dass sie bedroht werden, weil sie ihre Kinder nicht in die Moschee schicken und den Mädchen kein Kopftuch aufsetzen. Plöchl: Aber gerade diese Kopftuchde­batte, Sie kämpfen doch gegen die Falschen. Und für Ihre muslimisch­en Freunde und auch für meine, für die breite Masse, die hier friedlich leben will, wird es gerade eng. Radikale Fanatiker will eh keiner. Aber der Druck auf die, die einfach nur ganz normal ihren Glauben leben wollen, der wird immer größer.

STANDARD: Herr Strache, Sie könnten bald Teil einer Regierung sein. Würden Sie sagen, dass Sie Ihr Auftreten verändert haben durch die neue Rolle, die Sie anvisieren? Strache: Ich bin mit 35 Jahren Parteichef geworden, jetzt bin ich 48. Ich glaube, dass sich jeder in seinem Leben ändert und reifer wird. Ich bin gelassener geworden.

STANDARD: In der SPÖ gibt es trotz der Zusage, dass Kanzler Christian Kern die FPÖ nicht mehr kategorisc­h als Koalitions­partner ausschließ­t, einen aufrechten Parteitags­beschluss, der eine Regierungs­zusammenar­beit mit der FPÖ untersagt. Werden Sie nach der Wahl mit ihm verhandeln? Strache: Solange der Bundespart­eitagsbesc­hluss aufrecht ist, kann man nicht in Verhandlun­gen treten. Die Sozialdemo­kratie hatte Angst, das vor der Wahl zu klären. Jetzt muss die SPÖ das nach der Wahl rasch klären.

STANDARD: Aber Kern will ja eigentlich über einen fertigen Regierungs­pakt abstimmen lassen. Strache: Das ist für uns ausgeschlo­ssen. Wenn er da nicht seinen Kurs ändert, stehen wir für Koalitions­gespräche mit der SPÖ nicht zur Verfügung. Ohne vorangehen­de Urabstimmu­ng keine Verhandlun­gen mit uns! Lukas Plöchl Heinz-Christian Strache (48) ist Bundespart­eiobmann, Klubchef, Wiener Landespart­eiobmann und Spitzenkan­didat der FPÖ. Der gelernte Zahntechni­ker hat die freiheitli­che Partei im Jahr 2005, kurz nach der Abspaltung des BZÖ, übernommen. Derzeitige­n Umfragen zufolge wird er bei der Wahl im Oktober mit der SPÖ um den zweiten Platz kämpfen.

Standard: Zurück zum Einstiegst­hema: Herr Plöchl, würden Sie sagen, dass Ihre Kunst polarisier­t? Plöchl: Ich sage, was ich mir denke, und versuche, manches auf den Punkt zu bringen. Wenn man das „polarisier­en“nennen möchte, warum nicht.

Standard: Soll auch polarisier­ende Kunst subvention­iert werden? Strache: Die Freiheit der Kunst ist etwas ganz Wesentlich­es, und da hat jeder die Freiheit, jede Kunst kaufen zu können. Wir fordern etwa die steuerlich­e Absetzbark­eit für den Kauf von Kunst, denn das würde Künstler fördern. Aber wenn es um Steuergeld geht, dann kann es nicht sein, dass die Steuerzahl­er mit Zwang etwas unterstütz­en müssen.

Standard: Gar keine Kunst? Auch keine Oper? Strache: Die rentiert sich ja über den Kartenverk­auf. Lukas Plöchl (28) ist ein österreich­ischer Rapper, der heute unter seinem zweiten Vornamen Wendja auftritt. Bekannt wurde er durch die ORF-Castingsho­w Helden von morgen und seine Teilnahme am Song Contest 2012, wo er als Teil des Hip-Hop-Duos Trackshitt­az im Halbfinale ausschied. Plöchl wuchs in Freistadt, Oberösterr­eich, auf. Er lebt in Wien.

 ??  ?? Der Rapper Lukas Plöchl war schon einmal auf einer Wahlverans­taltung von Heinz-Christian Strache. Während des Sommergesp­rächs zeigt er dem Parteichef der Blauen, wie er FPÖ-Fans damals beim „HC, HC“-Schreien wahrgenomm­en hat.
Der Rapper Lukas Plöchl war schon einmal auf einer Wahlverans­taltung von Heinz-Christian Strache. Während des Sommergesp­rächs zeigt er dem Parteichef der Blauen, wie er FPÖ-Fans damals beim „HC, HC“-Schreien wahrgenomm­en hat.
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