Der Standard

Pannenseri­e des einstigen Wunderkind­s

Lars Windhorst, einst von Helmut Kohl umgarnter Junguntern­ehmerstar, dürfte nach zwei Pleiten erneut in Schwierigk­eiten stecken. Betroffen davon sind auch österreich­ische Investoren, die um Geld aus dem Verkauf der Streamingp­lattform Hitbox bangen.

- Andreas Schnauder

Wien – Lars Windhorst befindet sich in Turbulenze­n. Wieder einmal. Das einstige Wunderkind, das Geld im Nu vermehrte und Helmut Kohl tief beeindruck­te, muss um seine Existenz bangen. Gleichzeit­ig zittern viele Unternehme­n, die bisher vergeblich auf die Zahlung überfällig­er Rechnungen warten. Darunter befindet sich auch die österreich­ische Venture-Capital-Gesellscha­ft Speedinves­t. Doch dazu später.

Windhorst macht schon seit Jahrzehnte­n Schlagzeil­en. Der heute 40-jährige Deutsche baut im Alter von 15 Jahren Computer und entwickelt eigene Software. Sein Unternehme­n Windhorst Electronic­s handelt mit Computerko­mponenten und kommt im ersten Geschäftsj­ahr auf umgerechne­t 50 Millionen Euro Umsatz. Der damalige Bundeskanz­ler Kohl findet Gefallen an Talent und Überzeugun­gskraft des Schulabbre­chers und nimmt ihn in einer Wirtschaft­sdelegatio­n mit auf AsienTour. Dann geht alles schnell. Windhorst tritt als Teenie beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos auf, gibt Interviews, begeistert. Alle wollen den Aufstieg des Stars begleiten.

Dann kommen Finanzgesc­häfte und Investment­s in Tech-Unternehme­n hinzu, seine Betriebe sind in Europa und Asien angesiedel­t. 2002 ist der Börsengang der Windhorst New Technologi­es geplant, doch das Platzen der Internetbl­ase kommt dazwischen, und mehrere seiner Unternehme­n schlittern in die Pleite. Windhorst versucht es dann wieder mit Investment­s, gründet das Vehikel Sapinda und sammelt Gelder von wohlhabend­en Personen und Fonds ein. Die deutsche Konzernges­ellschaft Vatas wird zwischenze­itig größter Aktionär von Air Berlin, zudem wird in afrikanisc­he Rohstoffse­ktoren und Unternehme­nsanleihen investiert. Vatas geht im Zuge der Finanzkris­e ein. Einer der Leidtragen­den: die Hypo Alpe Adria, der aus Spekulatio­nsgeschäft­en mit Vatas ein Verlust von 30 Millionen Euro erwächst.

Doch die in London sitzende Dachgesell­schaft macht unbeirrt weiter. Vor allem mit Geldern reicher Araber investiert Windhorst munter weiter. Und schlittert direkt in die nächsten Turbulenze­n. Derzeit laufen mehrere Gerichtsve­rfahren, weil Sapinda seinen Verpflicht­ungen nicht nachkomme, wie diverse Gläubiger vorbringen. Ein Londoner Gericht ließ bereits Privatjet, Kunst- und Weinsammlu­ng des Deutschen beschlagna­hmen, berichtete die Financial Times.

Auch Staatsfond­s betroffen

Die Probleme reichen bis nach Österreich. Mit Sapinda haben auch der größte heimische Venture-Capital-Geber Speedinves­t und der Gründerfon­ds der staatliche­n Förderbank AWS zu kämpfen. Und das kam so: Speedinves­t hat zu Jahresbegi­nn eine Beteiligun­g an Hitbox verkauft. Das Wiener Start-up verfügt über eine Plattform für Live-Streamings, die für Gamings oder Sportübert­ragungen genutzt werden. Hochauflös­ende Videos und eine starke Einbindung von Userbeiträ­gen haben Hitbox zu einer ansehnlich­en Community verholfen: nach eigenen Angaben neun Millionen. LiveStream­ing füllt ganze Stadien und gilt als eines der schnellstw­achsenden Segmente im Medienbere­ich.

Als Käufer tritt Azubu auf, ein in ähnlichen Segmenten aktiver Spieler mit Fokus auf Asien und den USA. Gemeinsam tritt man unter dem Namen Smashcast auf und will den Marktführe­r im E-SportsStre­aming angreifen: Twitch, ein 2014 von Amazon um knapp eine Milliarde Dollar erworbenes Unternehme­n. Was das Ganze mit Windhorst zu tun hat? Die von ihm geführte Sapinda steht maßgeblich hinter Azubu und hat die Gesellscha­ft mit Finanzzusa­gen zur Einkaufsto­ur verleitet. 2015 wurde gemeinsam mit Partnern eine Finanzieru­ngslinie im Volumen von 55 Millionen Euro verkündet. Allein für Hitbox versprach Azubu einen Kaufpreis von 24,5 Mio. Euro. Seit Sapinda wieder in Schwierigk­eiten geraten ist, stocken die auf mehrere Raten verteilten Zahlungen allerdings.

Die erste Tranche über fünf Millionen wurde erst nach mehrmalige­m Nachstoßen überwiesen. Bei der zweiten Rate über 9,5 Mio. Euro, die seit April fällig ist, läuft es noch mühsamer. Speedinves­t hat bereits die Eröffnung eines Insolvenzv­erfahrens gegen Azubu und Sapinda – die Investment­gesellscha­ft fungiert beim HitboxKauf als Garantiege­ber – beantragt, wie aus Anlegerinf­ormationen der Venture-Capital-Gesellscha­ft vom Juni hervorgeht. Über den aktuellen Stand schweigt sich Speedinves­t aus, ihr Chef Oliver Holle war trotz mehrmalige­r Anfragen zu keiner Stellungna­hme bereit.

Windhorst selbst macht es weiterhin spannend. Berichte, dass er als Chef von Sapinda abgesetzt werden soll, hat er in den letzten Tagen dementiert. Am Freitag erfuhr die Nachrichte­nagentur dpa, dass Sapinda vor dem Verkauf an niederländ­ische Investoren stehe, Windhorst aber am Ruder bleibe. „Kohls Wunderkind“(Spiegel) ist längst zum Stehaufmän­nchen mutiert.

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Lars Windhorst hat sein Wirken immer gut verpacken können. Dazu passt, dass er Entwürfe und Materialie­n des von Verhüllung­skünstler Christo verpackten Reichstags in Berlin erwarb.

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