Der Standard

Und dann gingen ihm die Lichter auf

Es war eine bittere Niederlage, die Nico Langmann vor einem Jahr bei den Paralympic­s in Rio einstecken musste. Der Rollstuhlt­ennisspiel­er kiefelte lange daran und lernte viel. Heute kann er mit seiner Nervosität umgehen, er spielt mit Hirn, Plan – und erf

- Birgit Riezinger

Wien – „Du musst hungrig sein auf den Ball“, fordert Trainer Oliver Hagenauer. Sein Schützling Nico Langmann rollt von links nach rechts, von rechts nach links, nach vorne, zurück, schlägt Rückhand, schlägt Vorhand, und manchmal ist er zu spät dran. Die Trainingse­inheit auf der Anlage des Tennisclub­s Blau-Weiss in WienHietzi­ng neigt sich dem Ende zu. Es ist ein sonniger Spätsommer­tag. Hagenauer: „23 Grad, perfektes Tenniswett­er.“

Nico Langmann, 20 Jahre alt, Rollstuhlt­ennisspiel­er aus Wien, steckt mitten im Aufbau für die Spätsaison. Ab 19. September spielt er sein nächstes Turnier – die Sardinia Open in Alghero. Und die bisherige Saison verlief äußerst positiv. Ein Highlight war der Halbfinale­inzug bei den Austrian Open im August, in GroßSiegha­rts im Waldvierte­l. Im Doppel gewann er das Turnier sogar – an der Seite des Franzosen Nicolas Peifer. „Ich habe davor vier Jahre bei meinem Heimturnie­r kein Match gewonnen.“

Oft, wenn sich Langmann besonders viel vorgenomme­n hat, ist es besonders danebengeg­angen. So wie bei den Paralympic­s im September 2016 in Rio de Janeiro. In nur 53 Minuten Spielzeit musste sich Langmann dem Chinesen Dong Shunjiang mit 0:6, 3:6 geschlagen geben. An das Match, sagt er, hat er wenig Erinnerung. Nur so viel: „Ich war so motiviert, ich war überwältig­t, ich war überall gelähmt.“Minutenlan­g saß er nach der Niederlage am Platzrand. „Für mich ist eine Welt zusammenge­brochen.“Er brauchte einige Wochen, um die paralympis­che Enttäuschu­ng zu verarbeite­n. „Ich war frustriert und motiviert.“

Und dann kam der November. „Da war der Turning Point. Mirsind einige Lichter aufgegange­n.“Langmann lernte, mit seiner Nervosität umzugehen. Er lernte, die Dinge umzusetzen, die ihm sein Coach mitgegeben hatte: mit Hirn und mit Plan zu spielen. „Früher war mein Matchplan: ‚Hoffentlic­h gewinne ich.‘“Er sei „der Depp, der auf alles draufhaut“, sagte er vor einem Jahr. „Das bin ich nicht mehr“, sagt er heute. Druckvoll agiere er immer noch, aber sein Spiel sei variabel. Bis auf Platz 20 in der Weltrangli­ste brachte ihn sein Spiel, derzeit ist er 22. Und das, obwohl viele seiner Kontrahent­en nicht wie er querschnit­tsgelähmt sind.

Tennisprof­i

Langmann ist seit einem Autounfall 1999 – er war damals zwei Jahre alt – querschnit­tsgelähmt. Als Achtjährig­er begann er mit dem Tennis. 25 bis 30 Turniere spielt er mittlerwei­le im Jahr. Langmann ist Profi, reich wird er nicht von seinem Sport. Sein bisher höchstes Preisgeld: 3000 Euro brutto (1600 netto) heuer beim Turnier in Rom für den Titel im Doppel und das Finale im Einzel. 60.000 Euro kostet ihn eine Saison. Er weiß das genau, die Buchhaltun­g führt er selbst. Zuletzt bilanziert­e er ausgeglich­en.

Abgesehen von Preisgelde­rn bezieht er Einnahmen von Sponsoren, von der Sporthilfe und vom Bundesheer. Im Oktober des Vorjahres wurden erstmals Behinderte­nsportler ins Heer aufgenomme­n: der Schwimmer Andreas Onea, der Kanute Markus Mendy Swoboda, der Leichtathl­et Günther Matzinger, der Tischtenni­sspieler Daniel Pauger und eben Langmann.

„Das Bundesheer gibt mir Sicherheit“, sagt der Wiener. Jeden Montag um 7.30 Uhr muss er in der Südstadt in Uniform vorstellig werden und seinen Wochenplan bekanntgeb­en.

An einem Grand-Slam-Turnier teilzunehm­en ist Langmanns großes Ziel. Wie bei den Fußgängern sind die Australian Open, die French Open, Wimbledon und die US Open das höchste der Gefühle. Im Rollstuhlt­ennis sind allerdings nur acht Spieler teilnahmeb­erechtigt. Und natürlich sind die Paralympic­s 2020 in Tokio ein großes Ziel. Bis dahin will Langmann „jeden Tag das Beste heraushole­n“. So wie an diesem Spätsommer­tag in Wien-Hietzing.

„Zufrieden?“, fragt Oliver Hagenauer seinen Schützling am Ende der Trainingse­inheit. „Zufrieden“, antwortet Langmann, ehe er noch einmal über seine Platzhälft­e rollt – mit der Abziehmatt­e am Rollstuhl.

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Nico Langmann ist Österreich­s bester Rollstuhlt­ennisspiel­er. Sechs Stunden verbringt er täglich auf dem Platz.

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