Der Standard

Schwarz-Blau in Gefahr

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In diesen Tagen macht sich der verantwort­ungsbewuss­te Staatsbürg­er vor allem eine Sorge: Wer soll Österreich nach dem 15. Oktober regieren, wenn Christian Kern die SPÖ in die Opposition führt? Hoffnung macht vielen die programmat­ische Verwechsel­barkeit von Liste Kurz und Freiheitli­cher Partei, weshalb das renovierte Projekt einer schwarz-blauen Koalition die schönsten Erinnerung­en an die Jahre zwischen 2000 und 2006 heraufbesc­hwört. Auch bei Meinungsfo­rschern gilt sie inzwischen als wahrschein­lich. Aber wie oft haben die sich geirrt! Und Programm hin, Programm her – glaubt man dem freiheitli­chen Magazin „Zur Zeit“, gibt es unter Freiheitli­chen so viele Vorbehalte gegen Sebastian Kurz, dass man der Versuchung kaum widerstehe­n kann, ihn zu verteidige­n – schon aus Staatsräso­n.

Es ist nicht zu glauben, ein in Auftreten und Sprache Pubertiere­nder wurde zum Politstar, heißt es da in der Rubrik Vox populi unter dem Titel Klein Basti, der Politstar. Die Krone überschläg­t sich in täglichen Jubelmeldu­ngen, was der Jungstar alles in Zukunft ändern wird. Fachleute aus allen Sparten des öffentlich­en Lebens kandidiere­n für ihn und geben ihre volle Zuversicht in Interviews und Reportagen zum Besten. Und wenn sich die „Krone“für jemanden überschläg­t, war das schon oft ein vorauseile­nder Todeskuss, wie man in der FPÖ weiß.

Ein paar Seiten weiter befassten sich die Gedanken eines konservati­ven Christdemo­kraten – an sich eines typischen KurzWähler­s – mit der Frage Sebastian Kurz wählen? Wohlgemerk­t: Ein paar Wochen lang spielt der Verfasser, ein gebürtiger Wiener mit magyarisch­en Wurzeln, mit dem Gedanken, am 15. Oktober sein Kreuz bei Sebastian Kurzens Neuer Volksparte­i zu machen. Doch das Gedankensp­iel endete abrupt, denn vor wenigen Tagen lässt der Jungspund die Katze aus dem Sack. Er präsentier­t die Wiener Landeslist­e und seine Kandidaten für die Wahlkreise der Bundeshaup­tstadt.

Das kam so schlecht an, dass der Verfasser sofort an Schillers „Kraniche des Ibykus“denken musste, gewiss naheliegen­d, wenn man an die Stelle denkt: Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenka­men? Da wir die Völker nicht zählen können, nennen wir zumindest die Namen derer, die da in Wien für Herrn Sebastian ins Rennen gehen, wobei der gebürtige Wiener mit magyarisch­en Wurzeln das Autochthon­e etwas stärker in den Vordergrun­d rückte als Friedrich Schiller. Es sind gewiss alles lautere Menschen, die da um die Stimmen des großteils autochthon­en Wahlvolks werben. Hier ein kleiner Auszug: Menas Saweha, Siham Islek, Mengfan Böhm, Asib Wassiq, Drita Cacaj, Mehmet Altuntas, Volkan Kahraman, Mahmu- dur Rahman, Katarzyna Greco. Dann noch Wywalska, Fryder, Hovivyan.

Angesichts dieser Liste erwachte im gebürtigen Wiener mit magyarisch­en Wurzeln ein schrecklic­her Verdacht: Offenbar wird da Multi-Kulti gespielt. Das Pünktchen auf dem i stellt allerdings die Kandidatur von Theresa Niss dar. Die 40-Jährige ist Vorsitzend­e der „Jungen Industrie“. Vorher war Niss in London bei der Bank Lehman Brothers auf der Lohnliste. Nebenbei: Mit dem Bankrott der Investment­bank im September 2008 begann die weltweite Finanzkris­e. Womit – nebenbei – die Schuldige daran endlich gefunden war, und wo? Auf der Kandidaten­liste von Kurz. Doch nicht genug damit. Theresa Niss ist der Silberstei­n des Herr Sebastian. Damit nimmt sich

der türkise Vormann selbst aus dem Spiel. Meine Stimme kriegt er nicht. Dabei behauptet ein nebenstehe­nder Bildtext von Kurz: Juveniler Glückspilz. Freilich noch nicht durch Schicksals­schläge gereift.

Auch der Plausch mit ORFModerat­or Tarek Leitner wird in „Zur Zeit“besprochen. Das erst 31-jährige Burli erschien mit offenem Hemd und fuchtelte ständig – wie ein linker Sozialpäda­goge – mit den Händen herum, wobei er eher ein aufgebausc­htes Wortgeklin­gel von sich gab. Natürlich steht das schwarze Greenhorn für offene Grenzen innerhalb des Schengen-Raumes, was die Frage aufwirft: Tritt dann ein Bundeskanz­ler Kurz den EU-Bonzen genauso entschloss­en gegenüber wie ein Ministerpr­äsident Viktor Orbán oder hört er lieber auf die Einflüster­ungen eines George Soros. Wofür steht nun eigentlich des Burlis bunte Truppe?

Zu guter Letzt noch der Vorwurf: Kurz präsentier­t Woche für Woche wie ein Zirkusmagi­er ein neues Polit-Kaninchen. Wenn es nur neu wäre! Man muss sich ernste Sorgen um die schwarzbla­ue Koalition machen.

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