Der Standard

Wer holzt, ist oft auf dem Holzweg

Eigentlich sollte es eine Bank sein, wenn der britische Popstar Paul Weller ein Konzert gibt. Doch am Donnerstag in Wien hatten sogar die Ausdruckst­änzer im Saal Schwierigk­eiten, sich zu motivieren.

- Karl Fluch

Wien – Es wollte einfach nicht fließen. Schon sein immer an der Grenze zur Hektik angesiedel­ter Habitus vermittelt­e Anspannung und Druck. Das kam Paul Weller mit der britischen Punkrockba­nd The Jam durchaus zupass, doch 35 Jahre später, bei längst anderer musikalisc­her Ausrichtun­g, erzeugt das Probleme. Zumindest erschien es am Donnerstag­abend so. Da trat Paul Weller mit seiner Band im Wiener Museumsqua­rtier auf.

Dass Weller Energie hat, ist noch kein brauchbare­r Vorwurf, doch an diesem Abend entlud sich diese über weite Strecken in sperrig dargebrach­te Songs, die dringend etwas Gelassenhe­it zur Entfaltung gebraucht hätten. Doch Wellers übertriebe­ner Rockismus ließ so etwas wie einen Flow nicht zu. Man muss das als eine Form der Grausamkei­t gegenüber dem Publikum deuten, denn was sich im Studio und also auf Platte ganz gut und lässig anhört, gebrach live jeder Eleganz.

Weller, 59, Haarfarbe graumetall­ic und nach einer Art getra- gen, wie man sie von Fußballtra­inern aus dem Panini-Album von 1978 kennt, gilt als einer der Säulenheil­igen des britischen Pop.

Frühe Legendenbi­ldung

Schon seine erste Band The Jam toppte mit ihrem Sixties-Einfluss mehrmals die britischen Charts. Nach deren Ende bewegte er sich im Verein mit Mick Talbot in Richtung geschniege­lter Soul: Das gemeinsam betriebene Banduntern­ehmen The Style Council nistete sich ebenfalls verlässlic­h und regelmäßig in den oberen Rängen der Verkaufsli­sten ein.

Damit war früh der Grundstock zur Legendenbi­ldung gelegt, die wertkonser­vative Treue seiner der Mod-Kultur zugetanen Fans tat ein Übriges, um danach auch sein Solowerk beständig hochleben zu lassen. Meist zu Recht, denn Wellers Alben haben Qualität, wenngleich der letzte Ausreißer nach oben schon länger zurücklieg­t.

Sechs Mann hoch, mit doppelter Schlagwerk­bude im Rücken und einer Tastenburg hackte und holzte St. Paul sich durch eine üppige Setlist. Fast 30 Songs sollten es am Ende sein, doch schon der Opener Nova vom aktuellen Album A Kind Revolution brandmarkt­e den Abend: ein ruppiges Stück, beschädigt noch vom Startnacht­eil, den die Justierung des Klanges am Anfang jedes Konzerts mit sich bringt.

Der Style-Council-Klassiker My Ever Changing Moods deutete ein paar Titel später erstmals an, dass Weller es (natürlich) besser kann, das säuselnde Have You Ever Had It Blue? vom Absolute-BeginnerSo­undtrack entstammt prinzipiel­l keiner Sternstund­e Wellers, sorgte an diesem Abend aber immerhin kurz für Lockerheit. Zu kurz. Gleich darauf wurde wieder geholzt. Da flogen zwar die Späne, ein Funke sprang nicht über.

Schwere Beine

Der Song Porcelain Gods aus den 1990ern entpuppte sich im Verein mit der zur Übersteuer­ung neigenden Akustik des Saals als echte Prüfung. Selbst den Ausdruckst­änzern im hinteren Drittel des Saales wurden da die Beine schwer. Für das verliebte You Do Something To Me setzte Weller sich ans Klavier und zeigte sich von seiner beseelten Seite, doch das war von kurzer Dauer.

Je zerrissene­r die Show wurde, desto mehr drehte er auf. Nicht wenige Besucher empfahlen sich deshalb frühzeitig. Die Masse des dargeboten­en Programms wog die fehlende Klasse an diesem Abend nicht auf.

 ??  ?? Paul Weller verzichtet­e bei seinem Wien-Auftritt im Museumsqua­rtier auf subtile Finesse. Er erging sich in sperrigem Rockismus, anstatt die Eleganz seiner Songs zu betonen.
Paul Weller verzichtet­e bei seinem Wien-Auftritt im Museumsqua­rtier auf subtile Finesse. Er erging sich in sperrigem Rockismus, anstatt die Eleganz seiner Songs zu betonen.

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