Der Standard

Die Pläne von Kurz für eine Minderheit­sregierung

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Sebastian Kurz hat schon mehrfach angedeutet, er könne sich eine „neue Form des Regierens“, konkret eine Minderheit­sregierung, vorstellen, die sich ihre Mehrheiten einmal hier, einmal da zusammensu­cht. in interessan­ter Gedanke. Das Öde an der derzeitige­n Diskussion ist ja die Aussicht auf lähmende Koalitions­kombinatio­nen. Wenn die Kurz-ÖVP vorne liegt, was derzeit wahrschein­lich ist, dann sei Schwarz/Türkis-Blau schon ausgemacht, heißt es. Aber weder bei Kurz noch bei der FPÖ ist die Lust darauf rasend groß. Die FPÖ verlangt Schlüsselm­inisterien (Finanz, Innen, Justiz), die die ÖVP nicht so gerne hergeben würde, und hat außerdem in der Koalition Schüssel/Haider schlechte Erfahrunge­n gemacht.

Kurz wiederum weiß, was er sich da für einen Koalitions­partner antun würde – inkompeten­t und rabaukenha­ft zugleich, außerdem immer noch in Fraktionsg­emeinschaf­t mit Rechtsextr­emen im Europäisch­en Parlament und total russlandhö­rig.

Wenn die SPÖ Zweite wird, ist eine Koalition Kurz/Doskozil denkbar (die Krone propagiert ja bereits heftig diese Traumpaaru­ng). Aber das würde wohl heftige Turbulenze­n beim dann Juniorpart­ner SPÖ bedingen.

Es wäre in beiden Fällen kein leichtes Regieren.

Kurz hat außerdem offenbar grundlegen­dere Pläne für die Struktur der Republik. Die ÖVP in eine „Bewegung“umzuwandel­n, die zeitweilig informelle Bündnisse mit anderen Segmenten der Gesell-

Eschaft schließt – das könnte ihm schon gefallen. Bruno Kreisky hat es ja vor Jahrzehnte­n vorgemacht („ein Stück Weges mitgehen“).

Kurz kann also darauf setzen, punktuell entweder die Zustimmung der SPÖ oder der FPÖ für Gesetzesvo­rhaben zu bekommen, die sich ganz oder teilweise auch mit seinen eigenen Plänen decken. Um seine Politik echt umsetzen zu können und den anderen Beine zu machen, könnte Kurz erstens ein „Expertenka­binett“mit SP- und FP-nahen Leuten bilden und zweitens verstärkt auf „direkte Demokratie“, in dem Fall Volksbefra­gungen, setzen, um ein Meinungskl­ima für seine Pläne zu schaffen. Als Staatssekr­etär wurde er ja vom damaligen ÖVP-Chef Spindelegg­er beauftragt, ein Konzept für eine Demokratie­reform zu entwerfen, und da war „mehr direkte Demokratie“ein zentraler Punkt.

Die erste und einzige Minderheit­sregierung, die funktionie­rt hat, war jene 1970, die Bruno Kreisky wagte – allerdings mit dem entscheide­nden Faktum, dass er eine Zusage von FP-Chef Friedrich Peter in der Tasche hatte. Damit konnte er z. B. ein Budget beschließe­n. Damals hatte die FPÖ fünf Prozent. Ob sich eine 25Prozent-FP auf derlei einlässt, ist ungewiss. Und ohne Budget ist es mit einer Minderheit­sregierung bald aus. ndererseit­s: Wenn sich so eine Regierung hält, könnte Kurz bald Neuwahlen anstreben und bekäme dann vielleicht eine Mehrheit zusammen mit den Neos (oder Pilz?). Jedenfalls sucht er nach Wegen, alte Strukturen der Parteiende­mokratie der Zweiten Republik zu überwinden; Das kann begrüßensw­ert sein oder bedenklich. hans.rauscher@derStandar­d.at

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