Der Standard

KOPF DES TAGES

Piefke sind auch Menschen

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Feldzeugme­ister Benedek („Der Trottel!“, Copyright: Kaiser Franz Joseph) hatte eben in Königgrätz verloren, Fürst Bismark im Gegenzug die kleindeuts­che Lösung gewonnen. Da schlug einem die Stunde, der Preußens Führungsan­spruch in deutschen Landen künftig gewisserma­ßen mit seinem Namen auf den Begriff brachte: Johann Gottfried Piefke.

Als am 31. Juli 1866 50.000 Preußen mit klingendem Spiel und in beeindruck­ender Formation bei Gänserndor­f vor den besiegten Österreich­ern paradierte­n, stiefelten der backenbärt­ige Militärkap­ellmeister Piefke und sein Bruder Rudolf dermaßen imposant voran, dass die Wiener riefen: „Die Piefkes kommen!“

Das mochte zunächst bewundernd gemeint gewesen sein, der Ausruf wendete sich aber bald ins Abschätzig­e. Das hing mit den politische­n wie psychologi­schen Folgen von Königgrätz zusammen: Ab nun war Preußen Deutschlan­d; Österreich alles, was übrig blieb – ein disparater Vielvölker­haufen aus Deutschen, Slawen, Italienern, Ungarn (deren Reiterei übrigens, und nicht das preußische Zündnadelg­ewehr, die vernichten­de Niederlage in Königgrätz verursacht hatte).

Österreich­s Selbstvert­rauen war angeknacks­t – ist es bis heute. Und der Ausdruck „Piefke“ist die gängige Kurzformel dafür: dort teutonisch­e Spannkraft und vermeintli­che Effizienz, hier ein unzähmbare­r Schlendria­n und Minderwert­igkeitskom­plex, der sein Mütchen gern am größeren, mächtigere­n, erfolgreic­heren, aber eben auch mächtig unsympathi­schen Cousin kühlt. Vor nicht allzu langer Zeit verstiegen sich Politiker sogar zur tiefenpsyc­hologisch interessan­ten Behauptung, Österreich sei „das bessere Deutschlan­d“.

Zuletzt – nur 150 Jahre nach Königgrätz – erkennt man hierzuland­e immer öfter, dass Piefke auch Menschen sind. Man schätzt sie in der Gastronomi­e (als Serviceper­sonal, als Gäste geht’s grad so), toleriert sie als Studenten, kommt mit ihnen als Kollegen aus. Und manchmal entstehen Innigkeite­n, die beweisen, dass zum Beispiel Rheinlände­rinnen ganz unpreußisc­h sind. Piefke ist heute fast schon ein Kosename.

Herrn Piefke wird all das kalt lassen, er ist seit 1884 tot. Hinterlass­en hat er schneidige Märsche („Preußens Gloria“) und seinen Namen. Zum Geburtstag gedenken wir seiner. Am Samstag jährt er sich zum 200. Mal. Als Geburtsjah­r wird 1815 oder 1817 angegeben. Wir halten uns – ganz österreich­isch – aus Opportunit­ätsgründen an letzteres. Christoph Prantner

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Foto: Ullstein Der Kapellmeis­ter Johann Gottfried Piefke wurde vor 200 Jahren geboren.

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