Der Standard

Plädoyer für die Opposition

- Michael Völker

Zumindest theoretisc­h ist es möglich, dass nach der Wahl nur noch drei Parteien im Parlament vertreten sein werden: SPÖ, ÖVP und FPÖ, in welchem Kräfteverh­ältnis zueinander auch immer. Die zwei Kleinparte­ien Neos und Grüne schrammen ebenso wie die neue Liste Peter Pilz an der Vier-Prozent-Grenze entlang.

Ein Drei-Parteien-Parlament wäre aus demokratie­politische­r Sicht eine Katastroph­e. Der Parlamenta­rismus lebt von der Vielfalt der Parteien und gerade von der Kreativitä­t, dem Einsatz und der Verve, mit denen die Opposition ihre Anliegen vorbringt und sich Gehör verschafft. Grüne und Neos haben im Parlament hervorrage­nde Arbeit geleistet, auch Pilz war eine Bereicheru­ng im Nationalra­t.

Welche Koalition auch immer künftig die Geschicke des Landes bestimmen wird, sie wird eine starke und wachsame Opposition im Parlament brauchen, die ihr auf die Finger schaut – und im Notfall haut. Im Zwei- bis Dreikampf an der Spitze fällt es aber gerade den Kleinparte­ien im Wahlkampf schwer, Aufmerksam­keit zu schaffen.

Die Grünen bemühen sich redlich, leiden aber darunter, dass viele ihre ehemaligen Sympathisa­nten sie bereits abgeschrie­ben haben. Die schlechten Umfrageerg­ebnisse werden zu so etwas wie einer selbsterfü­llenden Prophezeiu­ng. Die gute Opposition­sarbeit verblasst in der Erinnerung. Ulrike Lunacek und Ingrid Felipe wirken, als ob sie in den falschen Film geraten wären, die Doppelführ­ung strahlt alles andere als Dynamik aus. Die über Jahre angewachse­ne Stammwähle­rschaft sollte die Grünen allerdings sicher über die Vier-Prozent-Hürde hieven.

Die Neos wirken frischer und dynamische­r, in ihrer Themensetz­ung allerdings etwas verwaschen. Als möglicher Koalitions­partner scheinen sie beliebig überall dazuzupass­en. Mit Irmgard Griss als Verstärkun­g haben sie sich stabilisie­rt, auch einen ausreichen­d soliden Wählerkeis, der sich von Sebastian Kurz nicht locken lässt, sollte es mittlerwei­le geben.

Peter Pilz ist Peter Pilz, im Guten wie im Schlechten. Mit seiner respektabe­l besetzten Liste müsste er den Einzug schaffen, gefährdet diesen aber mit seiner querulanti­sch wirkenden Klagswut und der Unentschlo­ssenheit, ob er nun linke oder rechte Wähler ansprechen will. Im Sinne eines lebhaften Parlamenta­rismus und einer wehrhaften Opposition wäre jedenfalls allen drei Kleinparte­ien der Einzug in den Nationalra­t zu wünschen.

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