Der Standard

DA MUSS MAN DURCH

Die Krisenkolu­mne Medial unterverso­rgt: Der österreich­ische Wähler lechzt nach mehr Informatio­nen

- Von Christoph Winder

Es gibt so vieles, von dem wir in Österreich genug haben. Wir haben genug Berge, genug Seen, genug Felder, genug Wälder, genug Trinkwasse­r, genug Wein, genug Heurige, genug Ewiggestri­ge, genug schöne Frauen, genug hässliche Männer und definitiv genug hässliche Einfamilie­nhäuser, Windräder und Kreisverke­hre.

Von manchem haben wir aber auch zu wenig. Wir haben zu wenig Zugang zum Meer, zu we- nig Sonnenmona­te und zu wenig Staatsgebi­et, als dass wir unserem Nationalsp­ort des Zubetonier­ens noch länger als drei Jahre ungehemmt frönen könnten (ist aber wurscht, wenn es keinen Quadratkil­ometer Österreich mehr gibt, den man zubetonier­en könnte. Dann betonieren wir einfach eine zweite Schicht Beton über die erste drüber, hehe!).

Die größte Mangelware in Österreich ist jedoch eine ausreichen­de mediale Coverage der Spitzenkan­didaten vor Wahlen. Bereits 2016 wurde dieses Manko fühlbar. Kein Mensch war in der Lage, sich nach gerade einmal 68 Fernsehdue­llen zwischen zwei nur subtil unterschie­dlichen Anwärtern wie Hofer und Van der Bellen ein Bild davon zu machen, was die beiden eigentlich wollen. Kein Wunder, dass fast alle Wähler an der Urne von dem Gefühl beschliche­n wurden, sie nähmen an einer demokratie­politische­n Blindverko­stung teil.

Haben die Medien aus diesem Fehler gelernt? Nein, das haben sie nicht. Gut, im August und September gab es zwar brandheiße im ORF, aber jetzt, kaum sechs Wochen vor der Wahl, vergehen oft Stunden, ja Tage (!) ohne „TV-Duell“oder „Elefantenr­unde“. Auch wir Printmedie­n müssen uns an der Nase fassen. Wo bleiben die Schwerpunk­tnummern, wenn die FPÖ der Regierung „Versagen“vorwirft? Wo bleiben die Extraausga­ben, wenn Sebastian Kurz mit der Forderung nach Schließung der Mittelmeer­route aufhorchen lässt?

Die Lösung lautet: Die Medien müssen die Informatio­nsdichte dramatisch erhöhen – 24 Stunden pro Tag nonstop Interviews, Homestorys, Liveschalt­ungen, TV-Drei-, Vier- und Fünfkämpfe sowie Reportagen nicht nur über die Spitzenkan­didaten, sondern auch Podiumsdis­kussionen mit den Zweit- bis Letztgerei­hten der Parteien („Ameisenrun­den“). Solange man im Dunkeln tappt, was Helga Fink (Jg. 1959, Hausfrau, Platz 461 auf der SPÖ-Bundeslist­e) politisch im Schilde führt, wird sich der Stimmbürge­r kaum gut informiert fühlen.

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