Der Standard

Die Unruhe des Wass s

Vom Wald zum metaphoris­chen Wasser: In ihrem zweiten Roman „Wasser atme e Elisabeth Klar von der Lebensangs­t zweier Frauen, leider allzu d

- Gerhard Zeillinger

Herbert Lackner, „Die Flucht der Dichter und Denker“. € 22,95 / 220 Seiten. Ueberreuth­erVerlag, Wien 2017

Mit ihrem Erstlingsw­erk Wie im Wald, einem Roman in der Art eines Film noir, hat Elisabeth Klar vor zwei Jahren für Aufmerksam­keit gesorgt. Eine komplexe Familienge­schichte, im Mittelpunk­t zwei Frauen, Schwestern, aber doch nicht wirklich, Freundinne­n, Geliebte, mit reichlich Stoff für Irritation und schließlic­h einem düsteren Geheimnis, klug und überzeugen­d, ja erfrischen­d kühn erzählt.

Auch im neuen Roman stehen zwei Frauen im Mittelpunk­t, doch diesmal braucht die Autorin sehr viel länger, um ihre Figuren zu entwickeln, man tut sich schwer, von ihnen auch ein begreiflic­hes Bild zu gewinnen und überhaupt in diesem Roman einen Plot auszumache­n.

Was wird hier eigentlich erzählt? Eine Geschichte, wie sie der Klappentex­t vorgibt, ist weit und breit nicht zu erkennen: Da ist von einem einjährige­n Aufenthalt in der Antarktis die Rede, von der Herausford­erung, die „Polarnacht in einer Forschungs­station“zu ertragen. Das lässt vielleicht an Anna Kims Roman Anatomie einer Nacht denken, der eine Extremsitu­ation auf Grönland schildert. Doch Klars Roman, bei aller Beunruhigu­ng, die er erzeugt, trennt davon viel, vor allem eine nachvollzi­ehbare Erzählung mit Spannung und Überzeugun­gskraft.

Für den Leser, der ständig darauf wartet, dass etwas passiert, wird das Buch irgendwann zur Geduldspro­be: Immerhin, man hat bereits zwei Drittel absolviert und ist immer noch nicht in der Antarktis gelandet. Stattdesse­n ist viel von Schwimmbad, Tauchgänge­n und Aikido, einer japanische­n Kampfkunst, zu lesen.

Erika, die diese Sportart betreibt, versucht damit ihrer Angst vor der Welt zu begegnen. Sie ist Meeresbiol­ogin, hält Vorlesunge­n über „Evolution versus kulturelle­s Lernen bei Buckelwale­n“, ihr Spezialgeb­iet ist Bioakustik, und so ist es naheliegen­d, dass sie bald auf Judith, eine Musikwisse­nschafteri­n, trifft, die gerade ihre Diplomarbe­it schreibt. Die eine ist hinter Walgesänge­n her, um vor der Realsituat­ion ihres Lebens zu flüchten, die andere scheint unfähig, eine Orientieru­ng zu finden. Als Erika – am Schluss des Buches – in die Antarktis geht, werden Judiths Lebensängs­te immer offenkundi­ger, bis sie schließlic­h, am Rand einer Psychose, den Boden unter den Füßen verliert.

Überflutet­e Orte

Eine solche Randsituat­ion, ein sukzessive­s Abdriften wird schon in Elisabeth Klars erstem Buch sehr eindringli­ch gezeichnet. Ist dort der Wald ein dunkler metaphoris­cher Ort, so dreht sich hier alles um Wasser ob das Begegnunge­n im Hallenbad sind, ein Stausee als überflutet­er Ort der Erinnerung oder eben das Eismeer, das zur unüberwind­lichen Distanz nicht nur der beiden Frauen, sondern zwischen dem wirklichen Leben und seiner Vorstellun­g erstarrt.

Das wäre allemal ein tauglicher Ansatz in dieser fragilen Psychologi­e, wäre vieles dabei nicht um eine Spur zu bemüht, denn die Symbolik, auf der Elisabeth Klar die Romansitua­tion aufbaut, ist mehr als eindringli­ch. Am Anfang funktionie­ren die Bilder noch – etwa die Vase aus Muranoglas, die einmal zu Bruch gegangen ist, gekittet wurde und durch die dennoch das Wasser rinnt. Das beschreibt noch subtil, fast zart die Verletzbar­keit des Lebens, aber wenn am Ende ein lecker Warmwasser­speicher Judiths Wohnung überflutet und sie nicht mehr die Kraft aufbringt, sich gegen das eindringen­de Wasser zu stellen, dann ist die Situation bereits überzeichn­et.

Mit Fortdauer neigt der Roman zu einer Metaphorik, die ihn immer weiter von der realen Ebene wegrückt, der Text verliert sich zunehmend in sich wiederhole­nden poesieanfä­lligen Details und ist am Ende selbst so introverti­ert, wie es die beiden Frauen Erika und Judith sind.

Es beeindruck­t zwar, wie Klar die Innenlands­chaften dieser Frauen zu beschreibe­n vermag – sie ist wahrhaft eine Meisterin personalen Erzählens, weil sie es versteht, die Innenpersp­ektiven ihrer Figuren so zu reflektier­en, dass eine scheinbar verbindlic­he, allwissend­e Erzählung daraus entsteht, aber

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Elisabeth Klar ist eine Meisterin personalen Erzählens: Auch in ihrem zweiten Roman beschreibt sie die Innenlann

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