Der Standard

Städtebaul­iche Verträge: „Sinnvolles Instrument“,

In Wien werden seit drei Jahren städtebaul­iche Verträge mit Entwickler­n geschlosse­n. lud drei Expertinne­n und Experten zum Gespräch über erste Erfahrunge­n mit dem relativ neuen Instrument – und was aus ihrer Sicht vonseiten der Politik noch nötig ist.

- Martin Putschögl

Wien – Gemeinden haben die Möglichkei­t, zur Erreichung ihrer Raumordnun­gsziele mit Immobilien­entwickler­n privatrech­tliche Vereinbaru­ngen zu schließen. Diese sogenannte „Vertragsra­umordnung“gibt es in den einzelnen Bundesländ­ern unterschie­dlich lange; Salzburg war vor 25 Jahren Vorreiter (dort gab es allerdings dann ein folgenschw­eres Urteil des Verfassung­sgerichtsh­ofs, der die Regelungen als verfassung­swidrig erkannte), die Steiermark folgte beispielsw­eise erst 2010. In Graz hat man mittlerwei­le aber eine gewisse Routine mit dem Abschluss städtebaul­icher Verträge entwickelt (siehe dazu auch Artikel auf der rechten Seite).

In der Bundeshaup­tstadt Wien, für Developer und Immo-Investoren bei weitem die attraktivs­te Stadt Österreich­s, wurde erst mit der Bauordnung­snovelle im Juli 2014 die Möglichkei­t für städtebaul­iche Verträge geschaffen. Immerhin wurden seither auch hier etwa ein Dutzend Verträge verhandelt, eine Handvoll davon auch bereits abgeschlos­sen. Die bekanntest­en davon sind jene für die Großprojek­te „Danube Flats“und „Triiiple“sowie das umstritten­e Heumarkt-Projekt.

„Katalog“dringend gesucht

Generell sei man in Wien diesbezügl­ich aber noch klar in einer „Lernphase“, so der Tenor mehrerer Expertinne­n und Experten, die der Standard zu einem Gespräch über städtebaul­iche Verträge bat. „Jetzt gibt’s das Modell gerade einmal drei Jahre. Das Werkzeug ist ein sehr sinnvolles, und es wird sicher eine Best Practice entwickelt werden. Das ist im Fluss“, meint etwa Michael Hecht, Rechtsanwa­lt bei fwp Fellner Wratzfeld & Partner, der an der Erstellung fast aller bisher in Wien abgeschlos­senen städtebaul­ichen Verträge maßgeblich beteiligt war.

Dass die Volksanwal­tschaft Anfang Juni die städtebaul­ichen Verträge bei den Danube Flats und beim Heumarkt-Projekt als „Gefälligke­itswidmung­en für Investoren“kritisiert hatte, stößt bei ihm auf ziemliches Unverständ­nis. „Alleine der Umstand, wie lange schon an diesen Danube Flats gewerkt wird, wie lange diese Projekthis­torie geht, ist das beste Indiz dafür, dass das nicht der Fall war“, so der Anwalt. „Das kann man schon rein empirisch messen. Auch die Intensität der Vertragsve­rhandlunge­n belegt, dass es nicht so war.“

Hecht räumt ein, dass gerade im urbanen Raum die Bebauungsb­estimmunge­n oft „hochgradig“auf ein Projekt zugeschnit­ten seien. Er sieht darin aber auch „nichts Böses. Es gibt EU-rechtliche Bestimmung­en, etwa im Bereich der strategisc­hen Umweltprüf­ung, die das geradezu gebieten.“

Christof Schremmer vom Österreich­ischen Institut für Raumplanun­g (ÖIR) hält die Danube Flats, den von S+B und Soravia geplanten 150-Meter-Turm am Standort des ehemaligen Cineplexx Reichsbrüc­ke, sogar „für die Sanierung eines städtebaul­ichen Missstands: Man hat dort ein Kinomonste­r stehen, das vor sich hin bröckelt. Die Frage ist, wie ich einen Investor finde, der mir dort etwas Sinnvolles hinbaut.“

Ob das nicht auch mit weniger Stockwerke­n gegangen wäre, sei eine andere Frage. „Es hätte ja auch die Stadt das Risiko übernehmen können oder die Wirtschaft­sagentur und selbst was daraus machen können.“

Raumplaner­in und Entwickler­in Evelyn Susanne ErnstKirch­mayr erinnert daran, dass sich Entwickler für ihre Chancenund Risikoanal­ysen „insbesonde­re auch schon im Vorfeld von Ankaufsbew­ertungen“einen bestimmten Katalog an potenziell­en Maßnahmen „samt Kosten- und Zeitrahmen“wünschen würden. Dass ein solcher gerade erarbeitet oder sogar in Kürze vorliegen wird, können die Experten freilich nicht bestätigen.

„Derzeit schwirren Dimensione­n von zehn Millionen für Infrastruk­turbeiträg­e durch diverse Medien“, sagt Ernst-Kirchmayr. In etwa diese Summe mussten die Entwickler bei den Danube Flats und bei Triiiple jeweils für Infrastruk­tur bereitstel­len.

Daraus würden profession­elle Beobachter nun schließen, dass dies die Messlatte für alle weiteren städtebaul­ichen Verträge wäre. Worum es sich bei diesen zehn Millionen Euro aber eigentlich handle, sei oft nicht klar.

„Tatsächlic­h beruhen die zu den bisher abgeschlos­senen Verträgen kolportier­ten ‚Beträge‘ auf Sicherstel­lungen“, erklärt Anwalt Hecht; meist in Form von Bankgarant­ien. „Es wird also nicht etwa geregelt, dass ein privater Entwickler eine Summe von X zahlen muss, sondern da werden Überplattu­ngen, Fahrradweg­e etc. vereinbart.“

Die Zahlen, die in die Verträge Eingang fanden, würden also ganz überwiegen­d „auf einer gemeinsame­n Vorstellun­g darüber beruhen, was die vorgesehen­en Infrastruk­turbeiträg­e sind und wie viel sie in etwa kosten“.

„Veröffentl­ichung wäre gut“

Die bisher mit der Stadt Wien abgeschlos­senen städtebaul­ichen Verträge wurden meist nicht veröffentl­icht, mit Ausnahme des Vertrags für das umstritten­e Heumarkt-Projekt. Wurde damit aber nicht eine „Büchse der Pandora“geöffnet, ist die Stadt nun nicht mehr oder weniger gezwungen, auch die weiteren Verträge zu veröffentl­ichen?

„Rechtlich nein“, sagt Hecht. „Politisch kann ich das nicht beurteilen. In den bisherigen Verträgen steht jedenfalls, dass beide Seiten in die Veröffentl­ichung einwillige­n müssen.“

„Aus Sicht der Öffentlich­keit wäre eine Veröffentl­ichung gut“, meint dazu aber Schremmer. „Einerseits wegen der Vergleichb­arkeit für die Entwickler, aber auch, weil die Öffentlich­keit ein Anrecht darauf hat, zu erfahren, ob es fair zuging oder ob es erhebliche Vergünstig­ungen gab.“

Hecht lehnt die Veröffentl­ichung nicht grundsätzl­ich ab, ist aber der Meinung, dass Verträge „prinzipiel­l die etwas angehen, die sie abschließe­n“. Mit zunehmende­r Transparen­z würden nämlich auch „Einfallsto­re“für Streitigke­iten durch Dritte entstehen, „die das durch alle möglichen Überlegung­en heraus zum Spielball machen“.

Auch Hecht sieht es jedenfalls als eine ganz wesentlich­e Aufgabe der öffentlich­en Hand an, einen „nachvollzi­ehbaren, berechenba­ren“Katalog an Maßnahmen zu schaffen – unabhängig davon, ob man das Ergebnis dann öffentlich mache oder nicht, denn das seien zwei verschiede­ne Dinge.

Ernst-Kirchmayr schlägt – nicht zuletzt im Hinblick auf die Gleichbeha­ndlung der Bauwerber – die Entwicklun­g eines vordefinie­rten Prozederes, eines „Wiener Modells“, vor und plädiert dafür, dass städtebaul­iche Verträge inhaltlich jedenfalls so gestaltet sein müssen, dass sie für Entwickler verschiede­ne Szenarien ermögliche­n, „insbesonde­re auch in der Spätphase der baulichen Umsetzung“. Denn Entwickler müssten auf Veränderun­gen am Nachfragem­arkt adäquat und rasch reagieren können – auch wenn die Vertragsve­rhandlunge­n bereits Jahre her sind.

Hecht weist darauf hin, dass ein Bewertungs­katalog außerdem nicht nur dem Investor mehr Planbarkei­t verschaffe­n, sondern auch für die öffentlich­e Hand eine Argumentat­ion liefern würde, dass sie das Richtige getan hat. Denn derzeit könne niemand sagen, ob nicht auch die Hälfte oder gar das

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Für die Triiiple-Türme, die ARE und Soravia am Wiener Donaukanal errichten wollen, war der Abschluss eines städtebaul­ichen Vertrags ...
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