Der Standard

Dicht mit Hanf

Nachwachse­nde Rohstoffe liegen in der Baubranche im Trend. Im Weinvierte­l werden Dämmplatte­n aus Hanf produziert. In der Pflanze schlummert viel Potenzial, denn bis 1995 war ihr Anbau verboten. Was Ernte und Verarbeitu­ng anbelangt, ist der Nachholbed­arf g

- Bernadette Redl

Haugsdorf/Hanfthal/Wien – Kaum einer anderen Pflanze kann man im wahrsten Sinne des Wortes so beim Wachsen zusehen wie dem Hanf. An einem Tag schießt das Gewächs um bis zu zehn Zentimeter in die Höhe. Das und mehr machen die mit Vorurteile­n behaftete Pflanze attraktiv für diverse Nutzungen. Eine davon ist der Einsatz als Dämmstoff. Dafür werden die Stämme der Hanfpflanz­en eingesetzt, die mitunter so dick werden können wie ein kleiner Baum und aus Hanffasern und holzigen Teilen, den sogenannte­n Schäben, bestehen.

Wie daraus Dämmplatte­n werden, zeigt ein Besuch in einer Fabrik der Synthesa-Gruppe im Weinviertl­er Ort Haugsdorf. Dort wird in einer ehemaligen Gurkenfabr­ik Hanfstroh zerkleiner­t, verklebt, mit Flammschut­zmittel versehen und zu Platten geformt. Die Idee dahinter stammt vom Startup Naporo, das sich die Entwicklun­g nachhaltig­er Rohstoffe vorgenomme­n hat und mittlerwei­le von Synthesa übernommen wurde.

Für Hanf als Dämmstoff spricht viel: Er benötigt weder Dünger noch Herbizide oder Insektizid­e, ist feuchtigke­itsresiste­nt, bindet CO2, hat eine hohe Wärmespeic­herkapazit­ät und rüstet sich von ganz allein gegen Schädlinge und Nager. „Hanf besitzt schlichtwe­g zu wenig Eiweiß, um etwa Mäuse anzuziehen“, erklärt Robert Schwemmer, Gründer von Naporo. Zudem ist die Hanffaser besonders widerstand­sfähig. Die Platten können problemlos verputzt werden und sind so weich, dass Schall gut abgefedert wird. „Wenn es zum Beispiel hagelt, kommt nur ein sehr dumpfes Geräusch in den Raum“, erklärt Schwemmer.

Regionale Wertschöpf­ung

Wer mit Hanf dämmt, nutzt zudem einen Rohstoff aus der Region, das verkürzt die Transportw­ege und hilft der lokalen Wertschöpf­ung. Der Preis für die Dämmplatte­n aus Hanf liegt aktuell noch etwas über den häufig eingesetzt­en Dämmstoffe­n, etwa EPS (Styropor) oder Mineralwol­le. Doch Schwemmer prognostiz­iert: „Das liegt nur an der Menge, die wir derzeit produziere­n. Sie wird in Zukunft ansteigen, und in zwei bis drei Jahren sind wir dann preislich auf einer Ebene mit konvention­ellen Dämmstoffe­n.“

Dass Hanf noch nicht in weit größeren Mengen verarbeite­t wird – etwa auch für die Autoindust­rie, die das nachwachse­nde Material für die Innenverkl­eidung von Fahrzeugen entdeckt hat – liegt vor allem daran, dass der Anbau von 1965 bis 1995 verboten war. So hat Hanf in Österreich zwar eine jahrhunder­telange Tradition, moderne Ernte- und Verarbeitu­ngstechnik­en konnten jedoch erst in den vergangene­n Jahren entwickelt werden. „Durch das Verbot ist viel Wissen über Anbau und Weitervera­rbeitung verloren gegangen“, sagt Schwemmer.

Dass auch die Landwirte vor allem viel über die Ernte der Hanfpflanz­en lernen mussten, zeigt ein Besuch im Ort Hanfthal – das 600Seelen-Dorf hat sich voll und ganz dem nachwachse­nden Rohstoff verschrieb­en. Mehr als 2000 Personen kommen jährlich zu Besuch und lassen sich mit umgebauten Traktoranh­ängern auf eine Hanftour durch den Ort mitnehmen, um dabei alles Wissenswer­te über die Pflanze zu erfahren.

„Alle denken zuerst an die Droge“, sagt Gerhard Schmid, der Obmann des Dorferneue­rungsverei­nes. Dabei sei Hanf weit mehr als das. Hier arbeitet man daran, den schlechten Ruf der Pflanze aus der Welt zu schaffen. „Der Legalisier­ung stehen wir ganz neutral gegenüber, das ist nicht unser Thema“, sagt Schmid.

Bauern als Einzelkämp­fer

Hier steht die vielfältig­e Einsetzbar­keit von Hanf im Mittelpunk­t. Aus den Körnern werden Lebensmitt­el und Kosmetika gemacht, aus den Fasern wird Kleidung hergestell­t. Es wird also die ganze Pflanze verarbeite­t. Das macht die Ernte komplizier­t: Spezielle Mähdresche­r müssen den oberen Teil abernten und die Stämme abschneide­n, sodass sie zur sogenannte­n Feldröste auf dem Acker bleiben können. Durch das Anbauverbo­t gibt es bisher kein Unternehme­n, das Erntegerät­e für Hanf verkauft. „Die Bauern müssen ihre Maschinen selbst entwickeln, sie sind Einzelkämp­fer, es gibt keine Lobby“, sagt Schmid, der enormes Potenzial für den Rohstoff Hanf sieht.

Dieser Meinung ist auch Robert Schwemmer, der die Hanfdämmun­g in Zukunft noch nachhaltig­er machen will. Doch es gibt Herausford­erungen: Zu zehn Prozent bestehen die Hanfplatte­n aktuell aus Bikomponen­tenfasern, einem Kunststoff, der das Material zusammenhä­lt. Ein Bindemitte­l aus Maisstärke gibt es bereits, es ist allerdings um ein Vierfaches teurer.

 ??  ?? Etwa 1200 Hektar Hanf werden in Österreich jährlich angebaut. Dabei werden meist alle Bestandtei­le der Pflanze verwendet. Im Weinvierte­l wird aus den Stämmen Dämmmateri­al für Fassaden hergestell­t. Die Platten sind feuchtigke­itsresiste­nt,...
Etwa 1200 Hektar Hanf werden in Österreich jährlich angebaut. Dabei werden meist alle Bestandtei­le der Pflanze verwendet. Im Weinvierte­l wird aus den Stämmen Dämmmateri­al für Fassaden hergestell­t. Die Platten sind feuchtigke­itsresiste­nt,...

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