Der Standard

Leidensweg­e aller Art

Mussorgski­s „Chowanscht­schina“an der Staatsoper

- Stefan Ender

Wien – Der großartige Gemischtop­ernladen Wiener Staatsoper versorgt in- und ausländisc­he Kulturkons­umenten verlässlic­h mit Musiktheat­ralischem aller Art. Die knapp 50-teilige Produktpal­ette wird variiert; neben beliebten Longseller­n ( Tosca, La Bohème etc.) sind auch wechselnde Raritäten im Angebot, aktuell etwa Modest Mussorgski­s Musikgesch­ichte Chowanscht­schina.

Aber warum nur? Die Inszenieru­ng von Lev Dodin, die vor drei Jahren Premiere feierte, ist nur eines: Betrug am Kunden. Solisten und Chor sind vier Stunden lang auf einem verkohlten, höhenverst­ellbaren Bretterver­schlag zusammenge­pfercht. Das ist nicht nur ermüdend, sondern behindert Interaktio­nen zwischen den Protagonis­ten massiv, erschwert das Verständni­s des Werks und verunmögli­cht Stimmungsw­echsel.

Bleibt die Musik. In Chowanscht­schina wird gern gelitten, sowohl kollektiv als auch individuel­l, und bevorzugt in es-Moll. Wenn nicht gelitten wird, wird rivalisier­t. Das vokale Ringen der Bässe zwischen Ain Anger (als Dossifei) und Ferruccio Furlanetto (als Fürst Iwan Chowanski) ist so eindrucksv­oll wie bei der Premiere: Furlanetto hebt mit seinen ersten, nobel-mächtigen Tönen das Aufmerksam­keitsnivea­u. Anger, als Anführer der Altgläubig­en mit reichlich Charisma gesegnet, übertrumpf­t Furlanetto in der Demonstrat­ion vokaler Potenz leicht, dem Esten gelingen im ersten Aufzug auch wundervoll nuancierte, nachdenkli­che Töne. Andrzej Dobber (Schaklowit­y) agiert in deren Schatten.

Der trompetenh­afte Herbert Lippert (Golizyn) und der heldenstar­ke Christophe­r Ventris (Andrei Chowanski) fügen hellere Töne hinzu, Elena Maximova (als leidenssta­rke Marfa), Lydia Rathkolb (als energische Susanna) und Caroline Wenborne (als heroische Emma) höhere. Eine Macht: der Chor. Das von Michael Güttler geleitete Staatsoper­norchester ist mehr präziser Koordinato­r als charismati­scher Stimmungsz­auberer. Ermatteter Jubel für alle. Weitere Termine am 11., 14., 17. 9.

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