Umstrittener „Nationalfeiertag“der Katalanen
Um das Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens zu verhindern, greift die spanische Regierung zu starken juristischen Mitteln – auch und gerade am selbstgewählten Feiertag der Katalanen.
Der Plan war, hunderttausende Menschen am Montagabend im Herzen der katalanischen Hauptstadt Barcelona zusammenkommen und sie auf vier Straßenzügen ein riesiges Pluszeichen bilden zu lassen. Es war der sechste „Nationalfeiertag“(Diada), seit die katalanische Autonomieregierung gemeinsam mit einer breiten Bürgerbewegung einen Prozess in Richtung Unabhängigkeit der Region im Nordosten der Iberischen Halbinsel ausgerufen hatte.
Dieses Jahr sei es – so die Veranstalter, die Katalanische Nationalversammlung (ANC) und die Kulturorganisation Òmnium – die entscheidende „Diada des Ja“: Am 1. Oktober sollen die Katalanen nach dem Willen der Regierung in Barcelona über ihre Unabhängigkeit von Madrid abstimmen. Die spanische Zentralregierung will das um jeden Preis verhindern.
Das große Pluszeichen stehe, so die Diada-Veranstalter, für „die Möglichkeiten eines neuen Kataloniens“. Über 400.000 Menschen hatten sich bereits im Vorfeld eingeschrieben, weitere Zehntausende wurden darüber hinaus erwartet. 1800 Busse wurden überall in der sieben Millionen Bürger zählenden Region gechartert.
Die Diada sollte eine Machtdemonstration in einem politisch aufgeheizten Klima werden. Erst vergangene Woche hatte das spanische Verfassungsgericht auf Antrag der konservativen Madrider Regierung von Mariano Rajoy das von der katalanischen Autono- mieregierung unter Carles Puigdemont für den 1. Oktober angesetzte Referendum über die Unabhängigkeit verbieten lassen.
„Es wird kein illegales Referendum geben“, versicherte man in Madrid immer wieder. Ministerpräsident Rajoy setzte auch ein Krisenkabinett ein, ihm gehören die Vizepräsidentin der Regierung Soraya Saénz de Santamaria, der Innen-, Justiz- und Finanzminister sowie der Chef des militärischen Geheimdienstes CNI an. Dieser soll zusammen mit dem Geheimdienst der Polizeieinheit Guardia Civil die Urnen für den Wahlsonntag aufspüren und beschlagnahmen lassen.
Redaktion durchsucht
Außerdem sollen die Geheimdienste Druckereien und andere Unternehmen auffinden, die für das Referendum notwendige Arbeiten ausführen. Am Wochen- ende wurden die Redaktionsräume einer lokalen Wochenzeitung in Valls, im Süden Kataloniens, nach Stimmzetteln durchsucht.
Ob der Krisenstab letztendlich den Verfassungsartikel 155 anwendet, der es Madrid ermöglich, direkt in einer rebellischen Region zu regieren, eigene Polizeikräfte und im Ernstfall sogar die Armee zu entsenden, darüber schweigt sich die Regierung Rajoy weiterhin aus. Allerdings prüft das Verfassungsgericht, ob man die katalanische Autonomieregierung wegen „Gehorsamsverweigerung“des Amtes entheben kann.
„Nur das katalanische Parlament kann die katalanische Regierung des Amtes entheben, es gibt keine andere politische oder juristische Instanz, die das machen kann“, bekräftigte Puigdemont in seiner offiziellen Ansprache zur Diada. Das Referendum sei legal, da es auf Gesetzen des katala- nischen Parlaments beruhe. Er lässt jedenfalls die Abstimmung weiter vorbereiten.
Über 20.000 freiwillige Helfer sollen sich bereits für den Wahltag eingeschrieben haben. Mehr als 700 der 960 katalanischen Gemeinden bestätigten bisher, dass sie die üblichen Wahllokale öffnen werden. Allerdings gilt dies nicht für einige große Städte, die in der Hand der Sozialisten sind. Sie weigern sich, das Referendum zu unterstützen.
Angst vor Strafverfolgung
Gleiches gilt für die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau. Sie erkennt zwar das Recht an, sich frei zu entscheiden, will aber ihre Beamten nicht der Strafverfolgung aussetzen. Sie fordert Puigdemont daher auf, eine Alternative zu suchen und eine Volksabstimmung mit Garantien seitens Madrids auszuhandeln.
Colau hielt am Morgen der Diada in Santa Coloma zusammen mit Xavier Domènech (Catalunya en Comù) und Pablo Iglesias (Podemos) eine Großkundgebung ab. Die drei Redner verurteilten Madrid scharf. En Comù und Podemos wollen einen dritten Weg. Zwar unterstützen sie den Wunsch nach Unabhängigkeit nicht, verlangen aber eine Volksabstimmung im Einvernehmen zwischen Katalonien und Madrid, um den politischen Konflikt zu klären. Rund drei Viertel der Katalanen sehen dies in Umfragen ebenso – egal wie sie anschließend stimmen wollen.
Podemos ist damit die einzige Kraft im spanischen Parlament, die einen eigenen Weg geht. Die Sozialisten (PSOE) und die rechtsliberalen Ciudadanos stellen sich hinter Rajoy. Auch sie wollen die Katalanen an einer Abstimmung hindern.