Der Standard

US-Justiz bringt Ankara in Bedrängnis

Während in der Türkei wieder der Prozess gegen Journalist­en der Zeitung „Cumhuriyet“begann, muss sich die Regierung Sorgen um ein Verfahren in New York machen. Dort ist nun auch ein türkischer Ex-Minister angeklagt.

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Vergangene­n Samstag griff Tayyip Erdogan zum Hörer und ließ sich mit dem amerikanis­chen Präsidente­n verbinden. Erdogan habe ein Treffen mit Donald Trump vereinbart, hieß es lediglich im Kommuniqué des türkischen Präsidente­npalasts. Nächste Woche ist schließlic­h wieder Generalver­sammlung der Vereinten Nationen in New York.

Doch in Wahrheit wird es Erdogan um ein Gerichtsve­rfahren ein paar Straßen weiter unten im Süden von Manhattan gegangen sein. Erdogans „Goldbuberl“, der Geschäftsm­ann Reza Zarrab, ist dort angeklagt – und seit neuestem auch Erdogans ehemaliger Wirtschaft­sminister Zafer Caglayan. Prozessbeg­inn ist 30. Oktober.

Trump soll das nun richten. Der bestens vernetzte Zarrab hat sich schon zwei Unterstütz­er des USPräsiden­ten als Verteidige­r genommen: den früheren New Yorker Bürgermeis­ter Rudy Giuliani und den ehemaligen Generalbun­desanwalt Michael Mukasey. Eine „politische Einigung“des Falles werde von den Regierunge­n beider Länder angestrebt, versichert Giuliani. Den New Yorker Staatsanwa­lt, der Zarrab vergangene­s Jahr bei einer Reise ins Disneyland in Florida verhaften ließ und der die erste Anklagesch­rift schrieb, feuerte Trump im März. Ein gutes Zeichen, so dachte Erdogan. Doch Preet Bhararas Nachfolger Joon H. Kim machte weiter.

Bankbetrug und Korruption

Die Anschuldig­ungen der New Yorker Staatsanwa­ltschaft sind schwer, die möglichen Gefängniss­trafen mit 50 bis 90 Jahren hoch, die politische­n Auswirkung­en für Erdogan verheerend – sollte das Gericht im Süddistrik­t New York die Vorwürfe von organisier­tem Bankbetrug, Korruption und Geldwäsche für zutreffend erklären.

Ein Bumerang

„Dort wird nicht mehr über Zarrab geurteilt, sondern über die Türkei“, stellt Levent Gültekin fest, ein Kolumnist und Kritiker der AKP-Regierung, der selbst im Lager des politische­n Islam steht. Die türkische Regierung habe geglaubt, die Korruption­svorwürfe gegen ihre Minister vor drei Jahren mit einer Parlaments­abstimmung beseitigt zu haben, so erinnert Gültekin. Jetzt kommt die Affäre zurück wie ein Bumerang.

Justizermi­ttlungen gegen vier Minister wurden damals, im Frühjahr 2014, mit den Stimmen der regierende­n konservati­vislamisch­en AKP beendet. Zarrab, der junge iranisch-türkische Geschäftsm­ann, soll sie alle geschmiert und beschenkt haben: den damaligen Innenminis­ter Muammer Güler, EU-Minister Egemen Bagiş, Bauministe­r Erdo- gan Cayraktar und eben auch Wirtschaft­sminister Zafer Caglayan. „Abi“nannte ihn Zarrab laut der New Yorker Anklagesch­rift. So nennt man im Türkischen den „großen Bruder“.

„Abi“Caglayan habe von Zarrab Schmiergel­der in zweistelli­ger Millionenh­öhe erhalten, Cash in Dollar und in Form von Edelsteine­n. Warum das die amerikanis­che Justiz interessie­rt? Es geht um den jahrelange­n Bruch von US-Sanktionen gegen den Iran und um die organisier­te Täuschung amerikanis­cher Banken. „Hochrangig­e Regierungs­vertreter im Iran und in der Türkei waren an diesem Plan beteiligt“, heißt es in der neuen Anklagesch­rift.

Gülens Hand

Erdogan hatte die Korruption­sermittlun­gen der türkischen Justiz niederschl­agen können, die im Dezember 2013 mit Verhaftung­en der Ministersö­hne und Reza Zarrabs ans Tageslicht kamen. Auch Erdogans jüngeren Sohn Bilal hatte die Staatsanwa­ltschaft im Visier. Erdogan verstand die Jus- tizkampagn­e als einen Versuch der Gülen-Bewegung, ihn zu stürzen. Das schien nicht weit hergeholt; Justiz und Polizei waren von Anhängern des Predigers Fethullah Gülen unterwande­rt. Es musste aber nicht bedeuten, dass die Korruption­svorwürfe falsch wären.

Zarrab streitet die Vorwürfe strikt ab, so geben seine Verteidige­r an. Allein für den Zeitraum zwischen Dezember 2012 und Oktober 2013 sollen aber Transaktio­nen in Höhe von mehr als 900 Millionen Dollar über amerikanis­che Konten abgewickel­t worden sein.

Über den angebliche­n Korruption­ssumpf der türkischen Regierung und deren Geschäfte mit dem Iran berichtete die wichtigste Opposition­szeitung des Landes immer wieder. 17 Journalist­en und Managern von Cumhuriyet wirft die türkische Justiz deshalb ebenfalls vor, im Dienst der GülenBeweg­ung zu stehen. Am Montag wurde der Strafproze­ss nach der Sommerpaus­e wieder aufgenomme­n. Am selben Tag meldete Berlin die Festnahme eines weiteren deutschen Paars in Istanbul.

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Von der Regierungs­mehrheit im türkischen Parlament entlastet, von der US-Justiz eingeholt: Ex-Wirtschaft­sminister Caglayan soll an der Umgehung von Iran-Sanktionen beteiligt gewesen sein.

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