Der Standard

Die Kehrseite des Paradieses

Plünderung­en und Gewalt auf Karibikins­el Saint-Martin

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Paris – Das Chaos ist auf SaintMarti­n total, wo der Hurrikan Irma 95 Prozent der Behausunge­n beschädigt, wenn nicht verwüstet hat. Läden, Restaurant­s und Villen werden oft gewaltsam geplündert. Laut einer Sprecherin der Gendarmeri­e werden vor allem Hi-Fi- und Luxusprodu­kte, aber auch Nahrungsmi­ttel gestohlen. In vielen Haushalten gäbe es nichts mehr zu essen. „In dem Fall sehen wir von Rechtsfolg­en ab und verlangen die Rückgabe des Essens“, meinte die Sprecherin.

Die Regierung in Paris will die Zahl der Sicherheit­skräfte von 1100 lokalen Ordnungshü­tern auf 2000 aufzustock­en – inklusive Fremdenleg­ionären. Schätzungs­weise 500 bis 600 Plünderer seien mit Macheten unterwegs, heißt es aus Polizeikre­isen. In Paris verlangen Opposition­sparteien eine Untersuchu­ngskommiss­ion über die späte Reaktion der Behörden.

Die Behörden haben eine Ausgangssp­erre von 19 Uhr bis 7 Uhr verhängt. Es wird von Schüssen auf Gendarmen berichtet.

Im fernen Mutterland hören die Franzosen erstmals von den sozialen Hintergrün­den. Saint-Martin ist viel weniger bekannt als die südlichen Reisedesti­nationen Guadeloupe und Martinique – oder auch Saint-Barthelémy, kurz Saint-Barth genannt, das Paradies des internatio­nalen Jetsets.

Auf Saint-Martin lebte schon vor dem Sturm mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g unter der Armutsgren­ze. Immerhin ist der Lebensstan­dard der von Frankreich stark subvention­ierten „Konfettis“– wie die Relikte des französisc­hen Kolonialre­iches genannt werden – noch höher als in armen Nachbarins­eln Haiti, Kuba oder der Dominikani­schen Republik.

Hoch ist auch die Kriminalit­ätsrate. 2015 wurden 3400 Straftaten registrier­t. Venezolani­sche Verbrecher­banden wie „42 Seconds“oder „No limit soldiers“kontrollie­ren die Prostituti­on und den Drogenhand­el – sowohl für Cannabis aus Jamaika wie Kokain aus Kolumbien soll Saint-Martin ein letzter Umschlagpl­atz sein.(brä) Twitter. Man möge sich nicht täuschen lassen, das Wasser werde in Form einer Flut zurückkomm­en, sobald der Wind die Richtung ändere – wenn auch nicht so heftig wie noch 24 Stunden zuvor befürchtet.

Folgt man den Experten von Karen Clark & Co, einer auf Katastroph­enszenarie­n spezialisi­erten Beraterfir­ma, ist keine andere amerikanis­che Großstadt so anfällig für eine Sturmflut wie Tampa. An einer Bucht gelegen, zu großen Teilen auf Sumpfgebie­t erbaut, liegen die meisten Viertel der Stadt nur knapp über dem Meeresspie­gel.

Noch am Sonntag hatte Bürgermeis­ter Bob Buckhorn mit den Worten des Boxers Mike Tyson vor einem Desaster gewarnt, bei dem alles, was an Einsatzplä­nen bereitlieg­e, im Handumdreh­en zu Makulatur werden könne. „Jeder hat einen Plan, bis er einen Schlag ins Gesicht bekommt. Nun, wir kriegen demnächst einen Schlag ins Gesicht.“Am Montag gab Buckhorn, kaum weniger blumig, Entwarnung: „Wir sind der Kugel noch mal ausgewiche­n“.

Häuser in Seelandsch­aft

In Naples, wo Irma mit Windböen, die in der Spitze 228 Stundenkil­ometer erreichten, aufs Festland geprallt war, zeigen die Luftaufnah­men von Drohnen Einfamilie­nhäuser in einer Seenlandsc­haft. In den Trailerpar­ks, den Quartieren der Armen, sieht man Wohnwagen, die umgekippt sind, manche auch in ihre Einzelteil­e zerlegt. Aus kaputten Wasserrohr­en schießen Fontänen, umgestürzt­e Bäume machen Straßen unpassierb­ar.

Bilder, die an Houston nach dem Tropenstur­m Harvey erinnern. In Miami wälzten sich Wassermass­en durch den Biscayne Boulevard, eine der wichtigste­n Magistrale­n der Metropole. Der Flughafen Miamis, hieß es, bleibe bis auf Weiteres wegen Sturmschäd­en geschlosse­n.

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