Der Standard

„Ich habe Methadon nie als Wundermitt­el bezeichnet“

Die Chemikerin Claudia Friesen erforscht seit zehn Jahren die Wirkung von Methadon auf Krebszelle­n im Labor. Um herauszufi­nden, wie das Opioid bei Patienten wirkt, ist sie aber auf Ärzte angewiesen.

- Günther Brandstett­er

INTERVIEW: Standard: Sie sind in den vergangene­n Jahren schon mehrmals zum Thema Methadon in der Krebsthera­pie im Fernsehen aufgetrete­n. Warum war diesmal die Resonanz so heftig? Friesen: Vielleicht war das Interesse an dem Thema diesmal so groß, weil der Gegenwind besonders stark war. Vor allem in Deutschlan­d. So gut wie jede medizinisc­he Fachgesell­schaft hat eine Stellungna­hme zu Methadon in der Krebsthera­pie verfasst.

Standard: Bei den TV-Auftritten war immer wieder von 80 Krebspatie­nten die Rede, die mit Methadon behandelt wurden. Die Uniklinik Ulm betont hingegen, dass Sie ausschließ­lich Experiment­e an Zellkultur­en und Labormäuse­n gemacht haben. Was stimmt jetzt? Friesen: Meine Forschunge­n beziehen sich auf Zellen von Patienten und Tiermodell­en. Beim OffLabel-Use habe ich mit Ärzten zusammenge­arbeitet – ich als Che- mikerin darf keine Patienten behandeln. So konnte ich mittlerwei­le die Daten von über 100 Patienten dokumentie­ren. Dabei handelte es sich meist um fortgeschr­ittene Krebspatie­nten, die bereits Morphium oder andere Opioide erhalten hatten und im Rahmen der Schmerzthe­rapie auf Methadon umgestellt wurden.

Standard: Ihre ersten Grundlagen­forschunge­n zu Methadon stammen aus dem Jahr 2007. Wieso gibt es bis heute keine klinische Studie dazu? Friesen: Ich kann keine klinische Studie durchführe­n – ich darf nur beratend tätig sein, da ich Chemikerin bin. Das heißt, ich bin auf die Kooperatio­n von Ärzten angewiesen. Es gab immer wieder Stellungna­hmen, die sich gegen den Einsatz von Methadon ausgesproc­hen haben. Der Wille, das an Patienten zu erforschen, fehlte bislang. Mittlerwei­le sind die Mediziner etwas offener geworden, es gibt zumindest von mehreren Ärzten Anfragen, die Interesse an einer Zusammenar­beit im Rahmen einer klinischen Studie haben.

Standard: Warum hat die Uniklinik Ulm keine klinische Studie initiiert? Friesen: Dazu kann ich nichts sagen. Das Unikliniku­m Ulm möchte jetzt klinische Studien durchführe­n. Es müssen aber zuerst Anträge für Forschungs­gelder gestellt werden.

Standard: Gibt es schon Details zur Stichprobe, zu Studiendes­ign, Krebstypus? Wann ist frühestens mit Ergebnisse­n zu rechnen?

Friesen: Es gibt eine beantragte Studie zu Glioblasto­men. Bei dieser werde ich beratend tätig sein. Wahrschein­lich wird Ulm zu Darmtumore­n eine Studie beantragen. Spätestens im Jahr 2022 sollen die ersten Ergebnisse vorliegen.

Standard: Haben Sie 2008 ein Patent für Me- thadon in der Krebsthera­pie angemeldet? Friesen: Ich nicht, aber die Universitä­t Ulm. Doch nicht nur zu Methadon, sondern zu allen Opioiden. Der Wirkstoff Methadon kann nicht patentiert werden, aber die Anwendung in der Tumorthera­pie. Ich werde als Erfinderin genannt, das ist nach dem Arbeitnehm­ererfinder­gesetz vorgeschri­eben.

Standard: War es richtig, dass Sie Ihre Forschungs­ergebnisse, die sich nicht auf klinische Studien stützen, im Fernsehen präsentier­t haben? Würden Sie heute etwas anders machen? Friesen: Ich habe Methadon nie als Wundermitt­el bezeichnet und stets betont, dass der evidenzbas­ierte Beweis, die klinischen Studien, noch fehlen. Ich habe immer von Einzelfäll­en gesprochen. Ich habe auch immer kommunizie­rt, dass kein Patient auf die anderen Therapien verzichten sollte. Ich spreche mich ganz klar dafür aus, dass Methadon nur als zusätzlich­e Option zum Einsatz kommt.

CLAUDIA FRIESEN leitet das molekularb­iologische Forschungs­labor am Institut für Rechtsmedi­zin des Universitä­tsklinikum­s Ulm.

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Foto: Unikliniku­m Ulm Friesen forscht seit Jahren zu Methadon und Krebs.

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