„The Deuce“: Als der Porno laufen lernte
„The Wire“-Erfinder David Simon erzählt Anfänge der Branche auf Sky
Wien – Die Bühne der Serie The Deuce ist das New York City der 1970er-Jahre, wo die Pornobranche gerade ihren Aufstieg erlebt. Die Geschwister Vinnie und Frankie, der eine ein von seiner fremdgehenden Ehefrau verärgerter Bartender, der andere ein unverantwortlicher Spielsüchtiger – beide gespielt von James Franco –, führen in das Geschäft der Prostitution ein. Produzent ist The Wire- Macher David Simon, und das ist unverkennbar: Was seine Werke, so auch The Deuce, ausmacht, sind langsam erzählte Geschichten, die sich Zeit nehmen, um Motive auszuforschen.
In der ersten Folge passiert dementsprechend wenig, eher wird die Leinwand gezeichnet, Charaktere werden ausgiebig vorgestellt. Und es sind viele Charaktere: Barkeeper und Spielsüchtiger, Zuhälter und Prostituierte, Studentin und Polizist. Dafür nimmt sich die erste Folge viel Zeit – etwa wird eine Szene gezeigt, in der eine Prostituierte mit einem einsamen älteren Mann, der sie dafür bezahlt, mit ihm Filme zu schauen, Zeit verbringt. Im Fernsehen läuft die letzte Szene einer Adaption von A Tale of Two Cities – fast in voller Länge. Simon legt viel Wert darauf, den Zuschauer atmosphärisch mitzureißen. 1970er-Jahre Flair mit manchmal wunderschönen, manchmal abstoßenden Bildern und einer Geschichte, die sich in einer so detailreichen Welt abspielt, dass schnell klar ist, dass sie Zeit brauchen wird, um erzählt zu werden: Wer Geduld hat, wird mit The Deuce einen Blick auf Prostitution bekommen, wie er nur selten im Fernsehen ermöglicht wird.
Was Simons Arbeit schon bei The Wire ausgemacht hat, ist, dass das Skript sich weigert, Gut und Böse klar zu definieren. Stattdessen erhält man eine gar objektive Sicht auf Arm und Reich in einem New York City, in dem die Pornobranche gerade im Aufstreben ist. In gewisser Weise erscheint dieser Erzählstil journalistisch, was im Hinblick auf Simons Karriere bei der Baltimore Sun nicht überraschend ist. Prostitution selbst wird nie bewertet. Wenn Charaktere sich negativ über die Berufswahl von Prostituierten aussprechen, dann geschieht das aus Sorge um die Sicherheit, nicht aus moralischer Intention. In dieser Hinsicht schafft The Deuce eine urteilsfreie Betrachtung der kapitalistischen Aspekte des Themas. Spannend ist die Serie letztlich allemal – wenn man bereit ist, der Geschichte ihre Zeit zu geben. (muz)