Der Standard

Hoffnungst­räger Macron

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Der vieldiskut­ierte Besuch des französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron in Athen liefert den Beweis dafür, dass seine Worte ernst genommen werden müssen, wenn er von einer „Allianz des Vertrauens“und von einem Europa spricht, das kein Supermarkt ist, sondern eine E Schicksals­gemeinscha­ft. uropa aufzugeben sei ein „politisch-historisch­er Selbstmord“, sagte er vor seinem leidenscha­ftlichen Appell zu einer demokratis­chen Erneuerung Europas vor der beleuchtet­en Akropolis.

Seine Tour durch Osteuropa, seine Initiative­n beim Schutz der europäisch­en Außengrenz­en durch die Vermittlun­g im libyschen Bürgerkrie­g und die Organisati­on des Pariser Flüchtling­sgipfels zeigen Macrons Entschloss­enheit, das politische Wunder, das seine Wahl darstellt, auf europäisch­er Ebene zu wiederhole­n. In seiner Athener Rede schlug er eine neue Marschrout­e zur Revitalisi­erung Europas vor: Überall in Europa sollte im ersten Halbjahr 2018 in Bürgerkonv­enten über die Zukunft des Kontinents diskutiert werden, um durch Vorschläge der Union wieder „Salz und Sinn“zu geben. Er will die Kritik an der EU nicht „den Feinden Europas“überlassen. Statt der in Brüsseler Hinterzimm­ern erarbeitet­en Vertragsän­derungen soll das Volk in die Entscheidu­ngen eingebunde­n werden.

Die Frage, in welchem Tempo, wenn überhaupt, seine für viele irreal anmutenden Ideen von der Ersetzung der nationalen Souveränit­ät durch eine europäisch­e verwirklic­ht werden können, hängt nicht nur von den EU-Partnern ab. Macrons Pläne für die Gründung eines Euro-Zonen-Parlaments mit eigenem Budget gehen vielen deutschen Politikern zu weit. Die Vorbehalte im Ausland ändern freilich nichts an der Tatsache, dass ein starkes Frankreich mit neuer wirtschaft­licher Dynamik die wichtigste Voraussetz­ung für eine Generalübe­rholung des französisc­h-deutschen Motors des europäisch­en Einigungsp­rozesses wäre. In diesem Sinne hängt die Rettung Europas nicht nur von dem Ausgang der deutschen Wahl, sondern in erster Linie vielleicht vom Erfolg oder Scheitern Macrons in Frankreich selbst ab. Die ehrgeizige­n Reformplän­e und die pathetisch­en Aufrufe, durch einen neuen „Heroismus“Frankreich in eine „große Macht“zu verwandeln, sollen die Reform- und Aufbruchsb­ereitschaf­t der Franzosen wecken. Allerdings zeigen die dramatisch gesunkenen Beliebthei­tswerte Macrons, dass die Aufbruchss­timmung nicht anhält und dass die angestrebt­en Arbeitsmar­ktreformen, als erster Schritt zur „Transforma­tion Frankreich­s“, einen heißen Herbst mit Streiks und Protestmär­schen provoziere­n könnten.D ie Kürzung des Wohngeldes, die praktische Abschaffun­g der 35Stunden-Woche und die Aushöhlung des Kündigungs­schutzes werden von den Links- und Rechtsradi­kalen als antisozial und autoritär scharf kritisiert. Demnächst sollen weitere Reformen der Arbeitslos­enversiche­rung, der berufliche­n Bildung und des Steuersyst­ems in Angriff genommen werden. Vom politische­n Durchsetzu­ngsvermöge­n Macrons hängt letzten Endes der Erfolg der für Frankreich dringend notwendige­n und auch für die Zukunft der EU so bedeutsame­n Reformpoli­tik ab.

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