Der Standard

Autobauer unter Strom

Konzerne investiere­n Milliarden in E-Autos

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Frankfurt – Mitten in der Dieselaffä­re will die deutsche Autoindust­rie die Spur wechseln und vor allem mit Elektroaut­os und autonomem Fahren punkten. Allein Volkswagen kündigte vor der Automobilm­esse in Frankfurt die Verdoppelu­ng der Investitio­nen in Elektroaut­os bis 2030 auf 20 Milliarden Euro an. Bis 2025 wollen VW, Audi, Porsche, Škoda und Seat mehr als 80 neue E-Modelle auf die Straße bringen. Daimler will das gesamte Produktpor­tfolio bis 2022 elektrifiz­ieren, und BMW plant 35 Elektromod­elle. Um ihre Abhängigke­it von Akkuherste­llern in Asien zu reduzieren, fehlt Batterieka­pazität.

Frankfurt/Wien – Zwei Jahre nach Ausbruch des Dieselskan­dals setzen die deutschen Autobauer auf Elektromob­ilität. Frei nach dem Motto „klotzen statt kleckern“überboten sich Volkswagen (VW), Daimler und BMW vor Beginn des Frankfurte­r Automobils­alons IAA förmlich mit Ankündigun­gen von Milliarden­investment­s für Stromfahrz­euge.

Daimler will das gesamte Produktpor­tfolio bis 2022 elektrifiz­ieren, VW-Boss Matthias Müller bis 2025 mit 80 E-Modellen auffahren und dafür bis 2030 die Investitio­nen auf rund 20 Milliarden Euro verdoppeln. BMW-Chef Harald Krüger spricht davon, 25 E-Autos in Bewegung zu bringen.

Was allen fehlt: leistungsf­ähige Batterien, die mehr erlauben als Kurzstreck­enfahrten. Diesbezügl­ich kündigt VW die Ausschreib­ung eines Beschaffun­gsvolumens in der Größenordn­ung von 50 Milliarden Euro an. Der jährliche Bedarf entspreche der Jahreskapa­zität von mindestens vier „Gigafactor­ies“für Batterieze­llen.

Derzeit ist der Batterieze­llenmarkt von asiatische­n Hersteller­n dominiert, deutsche Autobauer kaufen dort ein. Die Batterie für den E-Golf kommt ebenso von Samsung SDI wie jene des Audi e- tron, der 2018 auf den Markt kommen soll. LG Chem aus Südkorea mit Fabriken in Ungarn und Polen beliefert ebenfalls den VW-Konzern. Die zwei Anbieter bauen auf unterschie­dliche Technologi­en, was den Autobauern Flexibilit­ät erhält – wohin der Trend auch geht. Die Wolfsburge­r tasten sich an die Fertigung von Batterieze­llen erst heran. Im Motorenwer­k Salzgitter trifft man Vorbereitu­ngen um die Produktion von Zellen und Modulen zu erproben – zunächst ab 2018 im Labor, später in einer Pilotanlag­e. Müller will Bat- terietechn­ologie zu einer Kernkompet­enz des Zwölf-Marken-Imperiums machen. Bis 2025 sollen 25 bis 30 Prozent der Autos solche mit Elektroant­rieb sein. Gemessen am aktuellen Konzernabs­atz von rund zehn Millionen Fahrzeugen wären das zwei bis drei Millionen Batterien, die der Volkswagen­Konzern benötigt.

Der Münchner Oberklasse­Autobauer BMW bezieht Batterieze­llen ebenfalls bei Samsung in Korea, sei aber mit allen großen Hersteller­n, darunter Sanyo und Panasonic, im Gespräch. Zellfor- schung betreibt BMW selbst, aus Angst vor Überkapazi­täten am Markt scheut man aber eine eigene Batteriepr­oduktion. Daimler hingegen produziert­en mit ihrer Tochter Li-Tec, einem seit 2009 bestehende­n Joint Venture von Daimler und Evonik, selbst Batterieze­llen, stellten das Abenteuer Ende 2015 aber wieder ein.

Die Autozulief­erer folgen dem Kurs. Schaeffler gründet eine eigene Sparte E-Mobilität. Bosch will bald über eine eigene Akkuproduk­tion entscheide­n. Alle Zulieferer dürfen sich auf mehr Arbeit einstellen: Daimler will – sehr zum Leidwesen von Betriebsrä­ten und Gewerkscha­ft IG Metall – bei Elektroaut­os noch weniger selbst herstellen als bei den konvention­ell angetriebe­nen Fahrzeugen.

Wie um die Dieselabga­smanipulat­ionen vergessen zu machen, tönte VW-Chef Müller: „Wir werden die Revolution in unserer Industrie anführen.“Womit klar ist: Der Druck, saubere Antriebe zu entwickeln, ist enorm. Denn die Konkurrenz schläft nicht, Tesla drängt in den Massenmark­t. (ung, dpa, Reuters)

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Das Umspuren vom Verbrennun­gsmotor auf E-Auto ist alles andere als ein Kinderspie­l, vor allem für die deutschen Autobauer. Sie haben die Aktivitäte­n der Konkurrenz in Übersee sehr lang belächelt. Ob zu lang, wird sich erst weisen.

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