Der Standard

EU-Kommission macht nächsten Schritt in Verfahren gegen Polen

Rechtsstaa­tlichkeits­verfahren bleibt davon unberührt

- Gerald Schubert

Brüssel – Im Streit um die Justizrefo­rm in Polen hat Brüssel am Dienstag den Ton verschärft. Die Europäisch­e Kommission leitete eine neue Stufe im laufenden Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Warschau ein. Polen hat nun einen Monat Zeit, um Maßnahmen zu treffen, die Brüssels nach wie vor bestehende Sorge um die Unabhängig­keit der polnischen Gerichte zerstreuen können.

Konkret geht es dabei unter anderem um das Recht des Justizmini­sters, die Amtszeit von Richtern zu verlängern, die bereits das Pensionsal­ter erreicht haben, sowie das Recht, Gerichtspr­äsidenten zu entlassen. Eine laufende Vorstufe zu einem möglichen Rechtsstaa­tlichkeits­verfahren ist davon nicht betroffen. (red)

Brüssel/Wien – Im laufenden Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Polen wegen der dortigen Justizrefo­rm hat die Europäisch­e Kommission am Dienstag die nächste Stufe eingeleite­t. Konkret bedeutet das, dass Brüssel einen weiteren Brief nach Warschau sendet, in dem die Kommission auf ihren bereits im Juli geäußerten Vorbehalte­n gegen die Reform beharrt. Ein Antwortsch­reiben aus Warschau hat die Kommission als unzureiche­nd erachtet.

Polens Führung wird nun dazu aufgeforde­rt, innerhalb eines Monats die nötigen Maßnahmen zu treffen, um die Bedenken zu zerstreuen. Andernfall­s, so die Drohung aus Brüssel, könnte der Fall vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) landen.

Unabhängig­keit der Gerichte

Die Vorwürfe der Kommission richten sich unter anderem gegen die Vollmacht des Justizmini­sters, die Amtszeit von Richtern, die das Pensionsal­ter erreicht haben, nach eigenem Ermessen zu verlängern sowie Gerichtspr­äsidenten zu entlassen. Dadurch würde die Unabhängig­keit der polnischen Gerichte unterminie­rt, heißt es in einer Erklärung auf der Website der Europäisch­en Kommission.

Insbesonde­re die „vagen Kriterien für die Verlängeru­ng“der Mandate sowie das Fehlen von Fristen für einen solchen Beschluss würden dem Justizmini­s- ter Einfluss auf einzelne Richter geben.

Nicht betroffen von dem neuen Schritt der Kommission ist der derzeitige Dialog zwischen Warschau und Brüssel, der allgemein als Vorstufe zu einem möglichen Rechtsstaa­tlichkeits­verfahren nach Artikel sieben des EU-Vertrags gilt und theoretisc­h bis zum Stimmrecht­sentzug für Polen führen könnte. Kommission­svizepräsi­dent Frans Timmermans will die Mitgliedss­taaten am 25. September über den Stand der Dinge in jenem bereits seit Jänner 2016 andauernde­n Prozess informiere­n.

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