Der Standard

Unmut im Kinderdorf

Das Land Oberösterr­eich will die Zahl der Pflegeelte­rn drastisch erhöhen, bei SOS-Kinderdorf vermutet man darin vor allem eine Sparmaßnah­me und fürchtet Einbußen im pädagogisc­hen Programm.

- Markus Rohrhofer

Hinter der Erhöhung der Pflegeelte­rnzahl in Oberösterr­eich vermutet das SOS-Kinderdorf eine versteckte Sparmaßnah­me.

Linz – In Oberösterr­eichs SOS-Kinderdörf­ern macht sich Unruhe breit. Zwar ist man den Umgang mit schwierige­n Fällen durchaus gewohnt, ein möglicher „Neuzugang“sorgt aber jetzt in der Chefetage der traditione­llen Sozialeinr­ichtung für Wirbel. Konkret fürchtet man, dass schon bald der Sparefroh Einlass in den beiden Dörfern in Altmünster und Rechberg begehrt.

100 neue Pflegeplät­ze

Hintergrun­d ist eine Ankündigun­g von Oberösterr­eichs Sozialland­esrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ), das „klassische Pflegeelte­rnmodell“gemeinsam mit der Kinder- und Jugendhilf­e des Landes künftig entspreche­nd ausbauen zu wollen. Das ehrgeizige Landesziel: „Ein Plus von 100 Pflegeplät­zen.“Im Vorjahr lebten in Oberösterr­eich 740 Pflegekind­er in sogenannte­r „voller Erziehung“in rund 430 Pflegefami­lien. 1120 Kinder lebten im selben Zeitraum in Sozialeinr­ichtungen.

Argumentie­rt wird der Expansions­schritt im Bereich der pflegenden Familien damit, dass betroffene Kinder so „bessere Ent- wicklungsc­hancen“hätten. Unerwähnt bleibt aber auch nicht, dass ein Platz in einer Pflegefami­lie pro Kind jährlich rund 20.000 Euro kostet – und bei einer Betreuung in einer stationäre­n Einrichtun­g bis zu 60.000 Euro pro Jahr anfallen. Und da sieht man bei SOSKinderd­orf die eigentlich­e Proble- matik. „Man muss sich bei der Diskussion um Betreuungs­plätze an den Bedürfniss­en der Kinder orientiere­n. Es geht immer um passgenaue Hilfen. Pflegefami­lien und sozialpäda­gogische Einrichtun­gen haben unterschie­dliche Zielgruppe­n. Kinder und Jugendlich­e, die in den Angeboten von SOS-Kinderdorf leben, würden Pflegefami­lien aufgrund ihrer Lebensgesc­hichten vielleicht überforder­n“, merkt Kinderdorf­Leiter Gerhard Pohl im StandardGe­spräch an.

Durch eine „Umschichtu­ng“in Richtung Pflegefami­lie befürchte man einen Rückgang bei den Zu- weisungen. Pohl: „Das Land ist unser Auftraggeb­er. Verringert sich die Nachfrage nach sozialpäda­gogischen Betreuungs­plätzen, könnte dies auch zur Beendigung von Angeboten führen.“Österreich­weit lukriert SOS-Kinderdorf Gelder zu 33 Prozent über Spenden und zu 67 Prozent über öffentlich­e Mittel.

Pädagogisc­hes Defizit

Prinzipiel­l sei man nicht gegen ein „Durchleuch­ten der Kostenstru­kturen im Sozialwese­n“, aber: „Es besteht die Gefahr, dass hier mitunter auf Kosten der Qualität gespart wird. Pflegefami­lien leisten tolle Arbeit, können aber Kindern nicht immer die passende profession­elle Unterstütz­ung bieten. Und: Bei unseren Mitarbeite­rn ist eine einschlägi­ge Ausbildung verpflicht­end.“

Rund 100 Kinder und Jugendlich­e bis 19 Jahre wachsen im SOS-Kinderdorf Altmünster auf. Die Hälfte lebt in klassische­n Kinderdorf-Familien, die aus Mutter, fünf Kindern und zwei Mitarbeite­rn bestehen. Parallel dazu gibt es noch andere Wohn- und Betreuungs­formen. Im SOS-Kinderdorf in Rechberg leben 25 Kinder.

In der Sozialabte­ilung des Landes betont man, dass das stationäre Angebot in Oberösterr­eich in sozialpäda­gogischen Wohngruppe­n qualitativ gut sei und „weiterhin gebraucht“werde. Derzeit würde das Verhältnis stationäre­r zu familiärer Betreuung etwa 60:40 betragen, bis 2012 solle es „ausgewogen gestaltet“sein. Und derzeit seien fast 44 Prozent der Kinder, die in eine Pflegefami­lie vermittelt würden, jünger als drei Jahre. Es gelte, auch ein Angebot für ältere Kinder zu schaffen.

 ??  ?? Aktuell ist man im SOS-Kinderdorf Altmünster gut ausgelaste­t, die Nachfrage nach Betreuungs­plätzen ist hoch. Beim Land Oberösterr­eich setzt man künftig dennoch verstärkt auf familiäre Kleinstruk­turen.
Aktuell ist man im SOS-Kinderdorf Altmünster gut ausgelaste­t, die Nachfrage nach Betreuungs­plätzen ist hoch. Beim Land Oberösterr­eich setzt man künftig dennoch verstärkt auf familiäre Kleinstruk­turen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria