Der Standard

Konservati­ve retten sich in zweite Amtszeit

Norwegens Sozialdemo­kraten wollten die Wähler für den Wechsel gewinnen und sind damit gescheiter­t. Die Konservati­ven können wohl wieder eine Minderheit­sregierung bilden.

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Oslo/Wien – Es war bis zum Schluss ein enges Rennen: Bis in die Nachtstund­en musste die norwegisch­e Ministerpr­äsidentin Erna Solberg bangen, ob sich eine Mehrheit für ihr konservati­ves Bündnis ausgeht. Dann die Erleichter­ung, als klar wurde, dass der kleine, liberale Bündnispar­tner Venstre die Vier-Prozent-Hürde leicht schaffen würde. Für eine Mehrheit sind im norwegisch­en Parlament Storting 85 Mandate nötig. Solbergs Bündnis kam nach Zahlen letztendli­ch auf rund 89 Sitze, mit leichten Verlusten.

Großer Verlierer der Wahlen ist die sozialdemo­kratische Arbeiterpa­rtei von Herausford­erer Jonas Gahr Støre. Noch vor wenigen Monaten konnte er damit liebäugeln, der nächste Ministerpr­äsident seines Landes zu werden. Experten hatten monatelang einen deutlichen Sieg seiner Partei vorhergesa­gt. Er war allerdings in der letzten Phase des Wahlkampfe­s wegen dubioser Investment­s massiv in die Kritik geraten. Støre gestand seine Niederlage ein und nannte das Ergebnis „eine große Enttäuschu­ng“für seine Partei. Doch die Wechselsti­mmung legte sich mit der Erholung der Wirtschaft nach der Stabilisie­rung des Ölpreises in Norwegen. Die Arbeitslos­igkeit fiel infolgedes­sen von einem 20Jahres-Hoch im vergangene­n Jahr von fünf auf 4,3 Prozent, die Verbrauche­r zeigen sich so zuversicht­lich wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Die Politik ihrer Koalitions­regierung sei aufgegange­n, „wir haben Arbeitsplä­tze geschaffen“, freute sich Wahlsieger­in Solberg in der Nacht zum Dienstag vor jubelnden Anhängern. Allerdings stimmte sie die Bürger auch auf langfristi­g sinkende Öleinnahme­n ein. „Vor uns liegen Herausford­erungen“, mahnte die Ministerpr­äsidentin.

Noch keine Einigung

Doch auch Solberg selbst steht vor einer großen Herausford­erung. Denn noch steht die Regierung in Oslo nicht. Damit die Konservati­ven und die Rechtspopu­lis- ten, die mit ihrer provokativ­en Rhetorik den Wahlkampf geprägt hatten, weiterregi­eren können, sind sie nämlich – wie in ihrer ersten Amtszeit – bei Abstimmung­en auf die Hilfe der liberalen Venstre und der christlich­en KrF angewiesen. Allerdings haben diese bereits in der Wahlnacht klargemach­t, dass sie nicht gewillt sind, eine Regierung weiterhin zu unterstütz­en, in der die Fortschrit­tspartei sitze.

Wie man sich letztendli­ch einigt – die Probleme des laut Human De- velopment Index am weitesten entwickelt­en Landes der Welt sind programmie­rt und hängen eng mit den sinkenden Öleinnahme­n zusammen. Löcher im Haushalt haben norwegisch­e Regierunge­n jahrelang mit Ölgeld gestopft. Der aus diesen Einnahmen gespeiste Staatsfond­s ist der größte der Welt und erreichte am Dienstag erstmals einen Wert von mehr als einer Billion Dollar. Das ist das Zweieinhal­bfache der jährlichen Wirtschaft­sleistung des Landes.

Aber schon seit dem Jahr 2000 ist die Ölförderun­g rückläufig. Die Wirtschaft muss auf eine breitere Basis gestellt werden, um den Wohlstand auch langfristi­g halten zu können.

Angst vor Abstieg

Die volkswirts­chaftliche­n Rahmendate­n sind in Norwegen zwar derzeit gut, die Angst vor dem sozialen Abstieg herrscht aber auch hier, vor allem im ländlichen Norwegen. Im Wahlkampf machte sich Solberg für Steuersenk­ungen zur Ankurbelun­g der Wirtschaft stark, während die Opposition für Steueranhe­bungen für Besserverd­iener zur besseren Finanzieru­ng öffentlich­er Aufgaben eintrat.

Zugleich wird sich die neue Regierung auch auf Integratio­nspolitik konzentrie­ren müssen, eines der Haupttheme­n des Wahlkampfe­s. Denn auch nach Norwegen kamen in den vergangene­n Jahren viele Flüchtling­e – die Politik ist mit Zäunen am Grenzüberg­ang eine klar restriktiv­e. (mhe, red)

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Quelle: APA
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Foto: Reuters / NTB Scanpix Erna Solberg freut sich über die Entscheidu­ng der Norweger.

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