Der Standard

Parlament stärkt May für den Brexit den Rücken

London verspricht EU zukünftige Verteidigu­ngszusamme­narbeit – Tiefe Verunsiche­rung bei EU-Bürgern

- Sebastian Borger aus London

Großbritan­nien bleibt bei den Brexit-Verhandlun­gen auf Konfrontat­ionskurs. Anstatt die mit der EUKommissi­on vereinbart­en Aufgaben zu klären, veröffentl­icht die Regierung von Premiermin­isterin Theresa May immer neue Papiere für die Zeit nach dem EU-Austritt.

Unterdesse­n wächst für die mehr als drei Millionen Bürger anderer EU-Staaten trotz ihres rechtlich unveränder­ten Status die Unsicherhe­it. Immer neue Fälle von Diskrimini­erung geraten an die Öffentlich­keit, weil Arbeitsver­mittler und Vermieter die verwirrend­e Lage falsch interpreti­eren.

Im Unterhaus blieb in der Nacht zum Dienstag die wortreich angekündig­te Rebellion indes aus. Mit 326:290 Stimmen winkten die Parlamenta­rier das Austrittsg­esetz in zweiter Lesung durch. Es sieht die Umwandlung sämtlicher seit dem EWG-Beitritt 1973 gel- tenden europäisch­en Vorschrift­en und Direktiven in britisches Recht vor. Erst nach dem Stichtag Ende März 2019 wird dann jede der rund 12.000 Gesetzesre­geln daraufhin überprüft, ob sie einer Anpassung bedarf. Dafür erhält die Regierung die Vollmacht, Einzelheit­en auch ohne Beteiligun­g des Parlaments zu verändern.

Gegen die „Heinrich-VIII.-Klausel“richtete sich der Widerstand der Opposition sowie eines kleinen Häufleins konservati­ver EUFreunde. Lediglich fünf Torys enthielten sich der Stimme; rund ein Dutzend will aber in den Fachaussch­üssen und bei der dritten Lesung im Unterhaus für Änderungen sorgen. Und fanatische EUFeinde bei Labour verweigern den Fraktionsz­wang. Diesmal versagten 24 Labour-Abgeordnet­e der Parteispit­ze die Gefolgscha­ft.

Die Besetzung wichtiger Ausschüsse war am Dienstag Gegenstand einer weiteren heiklen Ab- stimmung. Damit will die von nordirisch­en Unionisten gestützte Minderheit­sregierung sicherstel­len, dass sie in den Gremien eine Mehrheit hat.

Das Regierungs­papier sagt der EU auch künftig enge Zusammenar­beit in der Verteidigu­ngs- und Entwicklun­gspolitik zu. Man werde gemeinsame­n Bedrohunge­n gemeinsam begegnen, sagte BrexitMini­ster David Davis. Verteidigu­ngsministe­r Michael Fallon versprach den Einsatz der „größten europäisch­en Marine“sowie von Armee-Einheiten bei der gemeinsame­n Friedenssi­cherung.

Probleme liegen auf Eis

Die Ankündigun­g – praktisch eine Fortschrei­bung bisheriger Zusammenar­beit – gehört in eine Reihe von Positionsp­apieren über die zukünftige Zusammenar­beit mit dem 27er-Block. Hingegen liegen die drei Problemfel­der auf Eis, auf deren Bewältigun­g EU-Rat und EU-Kommission pochen: eine Klärung der zukünftige­n Grenze zwischen Nordirland und der Republik im Süden, weitere britische Beiträge in die EU-Kasse sowie die rechtliche Stellung der schon bisher auf der Insel wohnenden EU-Ausländer.

Letzteres Thema brennt vielen unter den Nägeln. Dazu trug vergangene Woche ein Regierungs­papier über die zukünftige Einwanderu­ngspolitik bei, das EUBürgern harte Restriktio­nen auferlegt. Zwar beteuert die Regierung stets, für unbescholt­ene Menschen mit EU-Pässen ändere sich bis Ende März 2019 überhaupt nichts. Lobbygrupp­en wie „Die drei Millionen“tragen aber immer neue Fälle eklatanter Diskrimini­erung zusammen. So verweigern Vermieter mit Blick auf die unsichere Situation Polen oder Franzosen neue Mietverträ­ge, Arbeitsver­mittler suchen ausdrückli­ch nur noch nach Briten.

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