Der Standard

Grundlagen­forschung lässt die Wirtschaft blühen

Podiumsdis­kussion über unterschie­dliche Perspektiv­en der Forschungs­finanzieru­ng

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Wien – „Grundlagen­forschung oder industriel­le Innovation?“Dass hier kein „oder“angebracht ist, war auf der Veranstalt­ung mit diesem Titel, ausgericht­et von der der Plattform Weis[s]e Wirtschaft im Wiener Techgate, am Montagaben­d schnell klar, als ein Podium mit Vertretern aus Finanz, Wissenscha­ft, Industrie und öffentlich­er Hand die Forschungs­förderung und -finanzieru­ng in Österreich diskutiert­e. Weis[s]e Wirtschaft, das ist laut Eigendefin­ition von Sprecher Peter Brandner ein Thinktank, der „mehr Sachversta­nd in die politische Diskussion bringen“soll. Die Argumente sollen nicht ideologisc­hen, sondern evidenzbas­ierten Ursprungs sein.

Christian Keuschnigg, Professor für Nationalök­onomie an der Universitä­t St. Gallen und Direktor des Wirtschaft­spolitisch­en Zentrums Wien, legte in seiner Keynote auf Basis seiner Studie zum „Innovation­sland Österreich“die Grundlagen für die Debatte: Universitä­ten sorgen mit ihrer Grundlagen­forschung für neues Wissen und Ausbildung junger Talente. Beides wird in F&E-Abteilunge­n der Industrie gebraucht. Die dort stattfinde­nde Innovation treibt das Wachstum und schafft multinatio­nale Unternehme­n, so Keuschnigg­s Rechnung. Wer also mehr in Grundlagen­forschung investiert, wird später mehr internatio­nal agierende Betriebe und mehr Bruttoinla­ndsprodukt haben. Der Standortwe­ttbewerb sei für kleine Länder wie Österreich besonders wichtig.

Um in der Wissenscha­ft den internatio­nalen Standortka­mpf zu bestehen, sei Glaubwürdi­gkeit die wichtigste Währung, betonte Thomas Henzinger, Präsident des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) bei der folgenden Diskussion. Er setzt auf vielverspr­echende Jungwissen­schafter, die er nach Österreich holt. Für den Wissenstra­nsfer entstehe ein Technologi­epark nahe dem ISTA, wo Start-ups gegründet, Patente verwertet und Labore von der Nähe zu Infrastruk­tur und Spitzenfor­schung profitiere­n werden.

Barbara Weitgruber, Sektionsch­efin im Wissenscha­ftsministe­rium, sieht in den letzten zehn, fünfzehn Jahren bereits eine Europäisie­rung und Internatio­nalisierun­g der österreich­ischen Forschungs­landschaft. Neugründun­gen wie das ISTA tragen neben der stärkeren Autonomie durch das Universitä­tsgesetz 2002 wesentlich dazu bei.

Förderdsch­ungel

Peter Prenninger, Forschungs­koordinato­r bei der AVL List, plädierte für Flexibilit­ät und kurze Wege bei der Forschungs­förderung. Er kritisiert, dass es zwar hohe Fördervolu­men gebe, der Effekt sich aber in einer zu starken Streuung in einer Vielzahl an Programmen verlaufe. „Partner kommen zu uns und fragen: Ist diese Entwicklun­g machbar? In der Situation kann ich mich nicht hinsetzen und Anträge schreiben.“

Rudolf Kinsky von der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisati­on (AVCO) beklagt schlussend­lich die fehlende Kapitalmar­ktkultur. Bei privatem Beteiligun­gskapital sei das Land Europaschl­usslicht. Banken könnten die Wachstumsf­inanzierun­g zum Teil nicht leisten. Conclusio: „Wir brauchen wieder einen internatio­nalen Finanzplat­z in Österreich.“

Ökonom Keuschnigg skizzierte im Rahmen seines Vortrags auch Eckpunkte einer gewinnbrin­genden Innovation­sstrategie. Neben Ausbau der Grundlagen­forschung oder Abbau der Steuernach­teile für Risikokapi­tal wird auch steuerlich­e F&E-Förderung großgeschr­ieben. Damit können gezielt innovative Unternehme­n unterstütz­t und am Standort gehalten werden. Ja, das sei teuer und müsste in anderen Bereichen eingespart werden. Aber es würde sich lohnen. (pum)

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