Der Standard

Der Blick durchs künstliche Auge

Lukas Traxler untersucht die Eigenschaf­ten künstliche­r Linsen für Augenopera­tionen

- Alois Pumhösel

Wien – Es ist eine der häufigsten Operatione­n bei älteren Menschen: Wenn sich die Augenlinse eintrübt und Grauer Star diagnostiz­iert wird, ersetzen Ärzte in einem Eingriff die Augenlinse mit einem künstliche­n Pendant. Die neue Linse korrigiert dann auch Kurz- oder Weitsichti­gkeit oder Augenfehle­r wie Astigmatis­mus.

„Je besser die Linsen an den individuel­len Patienten angepasst werden, desto sensibler sind sie aber auf Verschiebu­ngen während des Heilungspr­ozesses“, sagt Lukas Traxler. Er leitet an der FH Technikum Wien das Projekt Loalis (Laser and Optics in Applied Life Sciences), in dem neuartige Prüfmethod­en für künstliche Linsen entwickelt wurden.

Die neu eingesetzt­e Linse kann im Zuge der Genesung ihre Position verändern, kippen oder sich verschiebe­n. „Das ist ein biologisch­er Prozess, den man bei der Operation selbst nicht in den Griff bekommen kann“, sagt Traxler. „Die künstliche­n Linsen müssen deshalb bereits bei ihrer Entwicklun­g so optimiert werden, dass sie trotz Verschiebu­ng ihre Funktion bestmöglic­h erfüllen.“

Die Medizinpro­dukte unterliege­n strengen Prüfnormen, die Toleranz gegenüber Positionsv­eränderung­en bleibt bisher allerdings noch unberücksi­chtigt. „Die derzeit gültige Messnorm stammt aus einer Zeit, in der das noch kein Thema war“, erklärt Traxler. In dem von der Stadt Wien geförderte­n Projekt wurden die Voraussetz­ungen für neue Prüfnormen geschaffen. „Wir haben einen Messaufbau entwickelt, mit dem man die künstliche Linse möglichst gut charakteri­sieren kann“, sagt der Forscher.

Das Augenmodel­l, das in Kooperatio­n mit dem Fraunhofer­Institut für Angewandte Optik und Feinmechan­ik in Jena entwickelt wurde, simuliert die optischen Eigenschaf­ten des Auges – inklusive Hornhaut, Kammerwass­er und eben der Linse, die für die Tests von zwei präzisen, kleinen Motoren entspreche­nd verschoben und gekippt wird.

Hinter dem Auge befindet sich eine Messappara­tur, die das Bild, das beim Menschen auf der Retina entsteht, in Messwerten beschreibt. „Hier wird charakteri­siert, welche Abbildungs­fehler durch die Verschiebu­ngen entstehen“, erklärt Traxler.

Die technische Seite des fünfjährig­en Projekts ist abgeschlos­sen. In den verbleiben­den zwei Jahren kümmern sich Traxler und Kollegen um die Implementi­erung der Ergebnisse in die FH-Lehre. In einem künftigen Projekt soll die Analyse aber noch weitergehe­n: „Wir wollen das Bild, das durch das Verschiebe­n der Linsen entsteht, auf die Retina gesunder Probanden projiziere­n. So können wir sehen, welche Sehfehler das Gehirn ausgleicht und welche es nur schwer verarbeite­n kann.“

Die Forschung fließt in Traxlers Dissertati­on in Technische­r Physik an der TU Wien ein. „Mich hat schon immer alles Technische fasziniert. Durch den Zivildiens­t ist das Interesse an Medizin dazugekomm­en“, blickt der 1988 im Waldvierte­l geborene Forscher zurück. Im Studium von Biomedical Engineerin­g an der FH Technikum und der TU Wien haben sich für ihn beide Welten verbunden. In der Freizeit wechselt Traxler Labor und Hörsaal gegen Kletterhal­le und Tanzparket­t: „Ich betreibe zwei Hobbys intensiv. Das eine ist Klettern, das andere Lindy-Hop – ein Tanz zur Swingmusik der 1930er- und 40er-Jahre.“ europäisch­en Fachtierär­ztin, die sie 2016 als sogenannte „Diplomate“erfolgreic­h beendete.

Dazwischen verbrachte sie drei Jahre an einer Forschungs­stelle an der kanadische­n Universitä­t von Saskatchew­an, wo sie sich mit dem Verursache­r des Porzinen Reprodukti­ven und Respirator­ischen Syndroms, kurz PRRS, beschäftig­te.

Dabei handelt es sich um eine Krankheit, die Mitte der 1980erJahr­e zum ersten Mal in den USA auftrat und anfangs große Ratlosigke­it auslöste. Davon zeugt ihr alter Name „Mystery Swine Disease“(Mysteriöse Schweinekr­ankheit). Auch „Blue Ear Disease“(Blauohren-Krankheit) hieß sie anfangs – nach der zyanotisch­en Blaufärbun­g der Ohren betroffene­r Tiere. 1991 wurde das Virus, das die Krankheit auslöst, das erste Mal isoliert. Bis heute jedoch gibt es den Wissenscha­ftern Rätsel auf. So hat es auf Schweine in verschiede­nen Lebensabsc­hnitten unterschie­dliche Auswirkung­en: Erwachsene Eber und Sauen, die damit infiziert sind, weisen oft kaum Symptome auf, hochträcht­ige Sauen jedoch werfen gewöhnlich tote und/oder kranke Ferkel. Die überlebend­en Ferkel leiden häufig an Atemwegser­krankungen und Entwicklun­gsstörunge­n.

Verluste in Millionenh­öhe

Damit nicht genug, gibt es oft große Unterschie­de von Herde zu Herde, wie stark sich die Krankheit überhaupt manifestie­rt. Wieso das so ist, ist bislang unklar. Nach den genomische­n Analysen, die Ladinig in Kanada durchführt­e und die auch Gegenstand ihrer Habilitati­onsarbeit waren, weiß die neue Klinikleit­erin jedenfalls eines: „Es gibt genetische Unterschie­de zwischen den Population­en, was die Empfänglic­hkeit für die Krankheit angeht.“

Das dafür verantwort­liche Virus dürfte derzeit jedenfalls der wirtschaft­lich relevantes­te Erreger von Schweinekr­ankheiten sein. „In den USA werden die Verluste mit mehr als 600 Millionen Dollar pro Jahr beziffert“, sagt Ladinig, „aber auch in Europa gibt es massive Einbußen durch das PRRS-Virus.“Übertragen kann es auf verschiede­nsten Wegen werden: durch sämtliche Körperflüs­sigkeiten der kranken Tiere selbst, aber auch über Gegenständ­e, mit denen sie in Kontakt gekommen sind, und sogar über die Luft.

Wichtiger Modellorga­nismus

Heilen kann man das Porzine Reprodukti­ve und Respirator­ische Syndrom bis jetzt nicht. Ladinig und ihre Mitarbeite­r arbeiten jedoch daran, anhand winziger Einzelmuta­tionen (sogenannte­r Single Nucleotide Polymorphi­sm, kurz SNP) Genotypen zu finden, die für das Virus weniger empfänglic­h sind, um diese Erkenntnis­se dann in die Zucht einfließen zu lassen.

An der Vetmed-Uni Wien werden jedoch nicht nur Schweinekr­ankheiten erforscht. „Das Schwein ist ein wichtiger Modellorga­nismus für den Menschen, weil es uns in vielen Dingen sehr ähnlich ist“, sagt Ladinig. Deshalb werden an ihrem Institut auch immer wieder Herden von 20 bis 30 Tieren gehalten, an denen Medikament­e oder Therapiean­sätze für Menschen getestet werden, so etwa gegen Krebs, Diabetes oder Osteoporos­e.

Oft bringen auch Besitzer kranke Exemplare, um feststelle­n zu lassen, woran sie leiden, und von Gegenmaßna­hmen für die ganze Herde zu erfahren. Diese Kontakte mit der „Außenwelt“sind Ladinig besonders wichtig: „Die Klinik ist das Bindeglied zwischen der Praxis und der Grundlagen­forschung“, ist sie überzeugt. Dementspre­chend will sie die bereits bestehende Zusammenar­beit auf diesem Sektor „erhalten und natürlich weiter ausbauen“.

Die neu berufene Professori­n mag Schweine übrigens nicht nur beruflich: Wie der Großteil der Österreich­er isst sie sie auch gern.

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Medizintec­hniker Lukas Traxler ist Projektlei­ter an der FH Technikum Wien.
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Foto: Vetmed/Bernkopf Andrea Ladinig ist Professori­n der Uniklinik für Schweine.

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