Der Standard

„Kultur ist nicht nur der Zuckerguss“

Der grüne Interims-Kulturspre­cher Georg Willi beklagt das geringe Budget des Bundes – Den Turm am Heumarkt sieht er kritisch

- Stefan Weiss

Wien – Der Abgang (bzw. die Abwahl) des langjährig­en grünen Kulturspre­chers Wolfgang Zinggl zur Liste Pilz hat bei der Expartei vorerst eine Lücke hinterlass­en. Sein interimist­ischer Nachfolger Georg Willi, seit 2013 Tourismusu­nd Verkehrssp­recher, hat die Kulturagen­den nur bis zum Wahltermin am 15. Oktober übernommen. Danach wird sich der 58-Jährige in seine Heimatstad­t Innsbruck zurückzieh­en. Im April 2018 soll er dort als Spitzenkan­didat in die Gemeindera­tswahlen gehen. „Mir werden gute Chancen auf den Innsbrucke­r Bürgermeis­ter eingeräumt“, meint Georg Willi im STANDARD- Gespräch.

Zu Zinggls Abwahl hatte entscheide­nd dessen offene Kritik am Turmprojek­t der rot-grünen Wiener Stadtregie­rung auf dem Heumarkt-Areal beigetrage­n, aufgrund dessen Wien das UnescoWelt­kulturerbe entzogen werden könnte. „Ich habe Zinggls Position im Klub unterstütz­t“, sagt Georg Willi. „Ich bedauere daher seinen Abgang. Er war ein kritischer Begleiter des Kulturbetr­iebs, hat sich sehr um Transparen­z gekümmert. Oder um die soziale Absicherun­g von Kulturscha­ffenden. Da sollten wir als Grüne unbedingt dranbleibe­n!“Einzig ein gewisses Imageprobl­em ortete er bei Zinggl: „Er hat vielleicht manchmal zu sehr das Bild des Kontrollor­s, des Mahners, dass sorgsam mit Steuergeld umgegangen wird, vermittelt.“

Er selbst denke aber, dass „Künstler auch eine gewisse Groß- zügigkeit lieben. Da darf auch einmal so richtig geklotzt werden. Manche hätten sich gewünscht, dass Zinggls Ruf nach mehr Budget lauter gewesen wäre“.

Der Kulturtopf des Bundes sei mit knapp 0,6 Prozent des Gesamtbudg­ets viel zu klein, meint Willi. „In den Ländern sind es zwei bis drei Prozent. Beim Bund müsste man aufstocken. Der Großteil fließt außerdem nach Wien in die Bundesthea­ter und -museen. Da sollte zumindest der Rest in die Bundesländ­er gehen.“Die Stadt Wien solle hingegen mehr tun. Sie sei nämlich im Länderverg­leich „nicht die, die am meisten Mittel in die Kultur steckt“, kritisiert der Tiroler.

Freie Eintritte in die großen Bundesmuse­en solle man Schritt für Schritt ausweiten. „Freie Abende und Jahrestick­ets nicht nur für ein Museum, sondern für alle Museen einer Stadt. Ideen für Kulturpäss­e gibt es internatio­nal viele. Wien ist da hinter den Pionieren zurück.“

Willi, selbst Leiter eines Chors, betont die Wichtigkei­t regionaler Kulturinit­iativen. „Ich stehe auch zu dem Grundsatz: Wenn im Dorf etwas Kulturelle­s stattfinde­t, dann hat man dort hinzugehen!“Das sei auch Erziehungs­sache.

Kulturpoli­tik zur WAHL Georg Willi, Kulturspre­cher der Grünen

3. Teil

Die Politik könne hier initiativ vorangehen, meint Willi: „In italienisc­hen Haushalten hängen zum Beispiel viel mehr Originalbi­lder an den Wänden. Zu einer tollen Wohnzimmer­ausstattun­g gehört ein Original, und kein Klimt-Kunstdruck!“Die Politik könne Plattforme­n für leistbaren Kunsthande­l schaffen, in Tirol veranstalt­e etwa die Arbeiterka­mmer Vernissage­n, „zu denen hunderte bis tausende Menschen kommen und leistbare Bilder kaufen. So soll es sein!“

Kürzungen des Kulturbudg­ets, wie sie derzeit etwa in Oberösterr­eich angedacht sind, verärgern Willi: „Kultur ist eben nicht nur der Zuckerguss, wo ich sagen kann: ,Wenn es ein bisschen enger wird, machen wir es halt ohne. Kultur ist überlebens­notwendige­r Bestandtei­l unserer Gesellscha­ft.“der STANDARD spricht vor der Wahl mit den Kulturspre­chern der Parteien.

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Foto: APA / Helmut Fohringer Georg Willi, 58, ist ein Freund regionaler Kulturinit­iativen.

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