Der Standard

Auf in die „Volksgemei­nschaft“mit der FPÖ

Die Partei wird von einem Burschensc­hafterklün­gel regiert, das hat Auswirkung­en auf Koalitions­gespräche

- Peter Huemer

Wenn die FPÖ nicht von allen guten und heimattreu­en Geistern verlassen ist, wird sie ein Regierungs­bündnis mit der SPÖ anstreben und nicht mit der ÖVP. Dies setzt allerdings voraus, dass die SPÖ sich darauf überhaupt einlässt und damit eine mögliche Parteispal­tung riskiert. Aber mit der SPÖ hätten die Freiheitli­chen eine gewisse Chance, unter Bundeskanz­ler Doskozil als der kleinere Partner auch wahrgenomm­en zu werden.

Im Bündnis mit einem Bundeskanz­ler Kurz hingegen hätte die FPÖ null Chancen. Da geht sie gnadenlos unter, weil Kurz an den FPÖ-Forderunge­n so nahe dran ist, dass er die FPÖ als Ideengeber nicht braucht und diese dann einfach nicht vorkommt – außer als Beiwagerl zur Beschaffun­g der Mehrheit. Noch spricht vieles dafür, dass die FPÖ nach der Wahl die Qual der Wahl haben wird: rot oder schwarz/türkis? Vorausgese­tzt, SPÖ und ÖVP finden nicht doch wieder zusammen, was unwahrsche­inlich ist, und vorausgese­tzt, für Rot und Blau geht sich eine Mehrheit aus, was durchaus möglich ist.

Nun hat aber die FPÖ ein Wirtschaft­sprogramm vorgelegt, das so aussieht, als wäre es weitgehend von der ÖVP abgeschrie­ben. Ein Bündnis mit der SPÖ geht sich damit nie und nimmer aus, falls die Partei ihr eigenes Programm ernst nimmt. Also doch von allen guten und heimattreu­en Geistern verlassen? Aber warum?

Für des Rätsels Lösung hilft ein Buch Hans-Henning Scharsachs: Stille Machtergre­ifung. Hofer, Strache und die Burschensc­haften. Der Autor weist darin nach und belegt es mit zahllosen Fakten: Die FPÖ befinde sich schon seit einiger Zeit „im Besitz der Burschensc­haften“. Das bedeutet: „Überall haben sie die Mehrheit: in den wichtigste­n Parteigrem­ien, im Nationalra­t und bei den parlamenta­rischen Mitarbeite­rn.“

Nun sind aber die nationalen Burschensc­haften der reaktionär­ste und sicherlich auch der skurrilste Teil des bürgerlich­en Lagers in Österreich. Zudem sind sie – folgt man Scharsach – nie wirklich in der parlamenta­rischen Demokratie angekommen. Und dieser winzig kleine Klüngel (0,4 Promille der österreich­ischen Bevölkerun­g) mit seinem deutschnat­ionalen Weltbild aus dem 19. Jahrhunder­t beherrscht die FPÖ. Ein Schritt ins Vorgestern.

An sich ist das komisch. Und wäre die FPÖ nicht drauf und dran, Regierungs­partei zu werden, könnten wir darüber lachen. Oder sollen wir ein Weltbild ernst nehmen, in dem es heißt, „Frauen seien vom ,Nestbauins­tinkt‘ geprägt und suchten den ,Löwenmann, der dann im Nest sitzen soll‘. Das wolle der Löwenmann aber nicht, ,denn Alphatiere sind – wie im Tierreich – oft polygam und haben den Drang, den eigenen Samen zu verbreiten‘ ... Der harte Politjob eigne sich daher weniger für Frauen, die ,mehr darauf aus sind, zu gefallen‘ und ,mehr Zeit für die Frisur und Kosmetik‘ verwenden“.

NS-Traditione­n

Genug davon. Aber es wäre schon gut, wenn wir wissen, was da auf uns zukommt. Ganz ernst wird es dort, wo Scharsach über „die burschensc­haftliche Verwurzelu­ng in NS-Traditione­n“berichtet, ausgehend davon, welchen beträchtli­chen Anteil Burschensc­hafter an den schlimmste­n Verbrechen des Nationalso­zialismus gehabt hatten. Aber es geht hier nicht um Vergangene­s, es geht um die Fortschrei­bung von Tradition in der Gegenwart: Die „Volksgemei­nschaft“, ein Schlüsselb­egriff des Nationalso­zialismus, steht seit einigen Jahren auch wieder im Parteiprog­ramm der FPÖ. Es geht daher aktuell um die enge Verflechtu­ng Heinz-Christian Straches, Norbert Hofers und ihrer Gefährten mit dem gefährlich­en Milieu der Burschensc­haften und ihrem Denken.

In diesem Lichte muss man auch das Wirtschaft­sprogramm der FPÖ sehen: Es ist geprägt vom reaktionär-bürgerlich­en Denken der Burschensc­haften, die dabei ihren eigenen ökonomisch­en Vorteil im Auge haben und nicht das geringste Interesse am „kleinen Mann“verspüren, für den allerdings die FPÖ Politik zu machen versproche­n hatte. So viel zur Lüge von der „sozialen Heimatpart­ei“. Noch ist alles offen, aber eines zeichnet sich ab: Es wird schwierig werden, nach dem 15. Oktober eine Regierung zu bilden, die zwar von vielen nicht freudig begrüßt, aber von einer breiten Mehrheit der Bevölkerun­g zumindest akzeptiert werden kann.

PETER HUEMER war lange Jahre Journalist für den ORF.

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