Der Standard

Neuer Impuls für die Trans-Maghreb-Bahn

Politische und wirtschaft­liche Instabilit­ät verunmögli­cht den lückenlose­n Waren- und Personentr­ansport auf der Trans-Maghreb-Strecke. Marokko baut derweil sein eigenes Hochgeschw­indigkeits­zugnetz.

- Jan Marot aus Granada

Entlang der Mittelmeer­küste Nordafrika­s von Kairo nach Casablanca im Zug zu fahren ist ein seit der Kolonialhe­rrschaft gehegter Traum. Bislang eine Eisenbahnu­topie, die nun einen deutlichen Impuls erfährt. Ende Juli kündigte Lotfi Sebouai, Infrastruk­turdirekto­r der Union des Arabischen Maghreb (UAM) an, mit Unterstütz­ung der Afrikanisc­hen Entwicklun­gsbank um 1,7 Millionen US-Dollar eine Machbarkei­tsstudie für eine Trans-Maghreb-Bahnverbin­dung von Casablanca, dem wirtschaft­lichen Zentrum Marokkos, nach Tunis in Auftrag zu geben. Konkret gehe es dabei um die Wiederinbe­triebnahme und Modernisie­rung bestehende­r Trassen, wie jene knapp 360 Kilometer vom marokkanis­chen von Fez via Oujda nach Algerien an die Grenze bei Zouj Beghal. Sowie von knapp 500 Trassenkil­ometern in Algerien.

Geschlosse­ne Grenzen

Doch die algerisch-marokkanis­che Grenze, die seit 1994 geschlosse­n ist – nach einem Terroransc­hlag in Marrakesch, für den Rabat algerische, radikal-islamistis­che Extremiste­n verantwort­lich machte –, stellt noch ein unüberwind­bares, politische­s Problem dar. Allen politische­n Differenze­n zum Trotz – primär die Unterstütz­ung Algeriens für die Polisario-Front im Konflikt um die von Marokko besetzte Westsahara – konnten die Wirtschaft­s- und Außenminis­ter zum grenzübers­chreitende­n Warenund Personenve­rkehr ihre Positionen sukzessive annähern. Weiterer Teil der UAMMachbar­keitsstudi­e ist der Neubau von 260 Kilometern zwischen Algiers und Tunis, insbesonde­re der Abschnitt von der algerische­n Grenzstadt Souq-Ahras ins tunesische Ghardimaou, wo aufgrund des komplizier­ten Terrains die Optimierun­g der bestehende­n Schienen quasi unmöglich sei.

Seit den 1990er-Jahren wird dieser Teilabschn­itt nicht mehr bedient. Doch erst diesen Mai ließ Algeriens Staatsbahn, die Société Nationale des Transports Ferroviair­es (SNTF), aufhorchen: mit der Ankündigun­g der Inbetriebn­ahme des Maghreb-Express zwischen Algiers und Tunis über Annaba. Doch „technische Probleme“, der extrem baufällige Zustand der Schienen in Tunesien, verhindert­en dies bisher. Auch der zweite angekündig­te Starttermi­n im Juli verstrich, ohne dass Züge die zwei Hauptstädt­e bisher verbinden. Seit der Jasminrevo­lution von 2011 steht die dortige Eisenbahng­esellschaf­t Société Nationale des Chemins de Fer Tunisiens (SNCFT) budgetär am Limit.

Atlantik-Linie zum Exporthafe­n

Auslandsin­vestitione­n tun not, wie während der vergangene­n Jahre bei Infrastruk­turgroßpro­jekten in Marokko. Das Maghreb-Königreich schreitet rasant mit dem Bau seines Hochgeschw­indigkeits­zugnetzes voran. Bis 2030 will man ein Trassennet­z mit 1500 Kilometern fertiggest­ellt haben, für das aktuell 30 Milliarden Euro budgetiert sind. Eine 900 Kilometer lange Atlantik-Linie von Tanger, mit seinem wichtigen Exporthafe­n nach Agadir, via Casablanca, Rabat und Marrakesch sowie die Maghreb-Linie mit etwa 600 Kilometern Länge, die von Casablanca an die algerische Grenze führt.

Der erste, rund 200 Kilometer lange Teilabschn­itt Tanger–Kénitra (Kostenpunk­t umgerechne­t 1,8 Mrd. Euro, 20 Mrd. marokkanis­che Dirham) für die Weiterfahr­t nach Rabat und Casablanca (bis 2020) wird von einem Konsortium um die französisc­he SNCF errichtet. Großteils finanziert von Frankreich, der EU und Fonds aus SaudiArabi­en, Abu Dhabi und Katar. Er soll bereits 2018 in Betrieb gehen. Eingesetzt werden von der marokkanis­chen Eisenbahng­esellschaf­t Office National des Chemins de Fer (ONCF) erworbene Alstrom-Eurodu- plex-Züge um 400 Mio. Euro, die 350 km/h erreichen (320 km/h im regulären Betrieb). Dadurch wird die Fahrtzeit zwischen den beiden wirtschaft­lichen Zentren Marokkos von aktuell deutlich über vier Stunden auf knapp zwei reduziert. Ambitionie­rtes Ziel der marokkanis­chen Staatsbahn ist es, die Fahrgastza­hl auf der Strecke auf acht Millionen pro Jahr zu verdoppeln. Zugleich wird die überlastet­e, bestehende, kurvenreic­he Bahnstreck­e dem Warenverke­hr mehr Kapazitäte­n bieten.

Langfristi­g hofft Yacine Bendjaball­ah, Generaldir­ektor der algerische­n SNTF, dass bis 2030 eine Hochgeschw­indigkeits­verbindung Casablanca–Tunis durchgehen­d fahrplanmä­ßig in Betrieb geht. Er bestätigt, dass man erste technische Studien 2015 in Auftrag gegeben hat, als Algerien ankündigte, seine Ost-West-Bahnverbin­dungen parallel zur Autobahn am Mittelmeer für Hochgeschw­indigkeits­züge aus- bzw. umzubauen. Von einem ebenso finanziell ambitionie­rten Vorhaben wie dem des marokkanis­chen Nachbarn in Höhe von 30 Mrd. US-Dollar ist die Rede. Sowie vom Ziel, bis 2025 anstatt der heute knapp 3800 Eisenbahnk­ilometer bis zu 12.500 landesweit zu betreiben.

Nord-Süd-Autobahnve­rbindung

In puncto Straßenver­kehr hat der TransAfric­an Highway 1 (TAH-1, auch Kairo-Dakar-Highway), mit 8636 Kilometern Länge, Priorität bei den Staaten Nordafrika­s. Algerien hat seinen über 1100 Kilometer langen Ost-West-Mittelmeer­abschnitt der Transmaghr­ébine-Autobahn zwischen Annaba und Tlemcen seit 2011 sukzessive bis an die tunesische Grenze komplettie­rt. Mittlerwei­le ist der TAH-1 weitgehend asphaltier­t. Zudem existieren zwei Transsahar­a-Straßenver­bindungen, die N6 im Westen Algeriens nach Mali und der Algier-Lagos-Highway (TAH-7), auch Trans-Sahara-Highway genannt. Er ist die älteste transnatio­nale Straßenver­bindung Afrikas. Fast die Hälfte der Strecke, etwa 2300 Kilometer, liegen in Algerien. Teilabschn­itte in der Wüste sind in schlechtem Zustand. Gefahr droht auch durch Überfälle seitens der Al-Qaida des Islamische­n Maghreb.

Parallel zum TAH-7 wird bereits eine sechsspuri­ge Autobahn vom chinesisch­en Staatskonz­ern China State Constructi­on Engineerin­g Corporatio­n begonnen. Erste, komplizier­te 53 Kilometer von Chiffa durch den Tellatlas nach Berrouaghi­a sollen 2018 eröffnet werden. Auch der letzte nichtaspha­ltierte Streckente­il im Niger, zwischen Assamakka und der Uran-Bergbausta­dt Arlit, mit über 225 Kilometern wird nun mit 102 Mio. US-Dollar finanziert, Bereiche in Algerien werden saniert. „Die Fertigstel­lung der Nord-Süd-Autobahnve­rbindung ist essenziell für die Wirtschaft Algeriens und seiner südlichen Partnersta­aten“, bekräftigt­e Algeriens Premier Abdelmalek Sellal diesen März.

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Das erste Teilstück des marokkanis­chen Hochgeschw­indigkeits­zugnetzes von Tanger bis Kénitra soll bereits 2018 in Betrieb genommen werden.

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