ZITAT DES TAGES
Peking springt beim Ölboykott über seinen Schatten – Dennoch keine Aussicht auf Verhandlungslösung
„Pjöngjang fühlt die Krise. Jetzt heißt es abwarten, wie Machthaber Kim Jong-un reagiert.“ Der chinesische Politologe Zhang Liangui über die neuen Sanktionen gegen Nordkorea
Während aus Nordkorea und den USA nach dem Beschluss neuer Uno-Sanktionen gegen das asiatische Land vor allem Drohungen zu hören sind, kommt in China dagegen Lob von kritischen NordkoreaExperten: Peking springe nun über seinen Schatten. Wirtschaftlich, indem die Volksrepublik, die 91 Prozent des Gesamthandels mit Nordkorea bestreitet und mehr als 80 Prozent des Erdöls liefert, bereit ist, die Hauptlasten der neuen Sanktionen zu tragen. Und politisch, weil „der Ölboykott, bei dem wir unsere Lieferungen um 30 Prozent beschneiden müssen, dem Kim-Regime erstmals wehtut,“sagte Zhang Liangui, Forscher an der ZK-Parteihochschule. „Die Ölzufuhr zu kappen hat mehr Einfluss als alle früheren Maßnahmen. Pjöngjang fühlt die Krise. Jetzt heißt es abwarten, wie Machthaber Kim Jongun reagiert.“
Zhang glaubt, dass Kim mit seinem jüngsten Atombombentest seine China-Karte überreizt hat. Auch der bevorstehende Staatsbesuch von US-Präsident Donald Trump habe Chinas Zustimmung zu den Sanktionen beschleunigt. „Sie sind ein Kompromiss mit den USA, bei denen aber beide Seiten nachgegeben haben.“
Trump will in der ersten Novemberwoche Peking besuchen, gleich nach dem Parteitag. Peking wolle gerade zu diesem Zeitpunkt Streit über Nordkorea vermeiden, denn man müsse mit den USA Handelskonflikte ausfechten. China habe auch abgewogen, wie schwer allfällige US-Sekundärsanktionen seine Banken und Unternehmen treffen würden.
Für Zhang zählen vor allem die Ölbeschränkungen. Sie würden die Kampfkraft von Nordkoreas Armee schwächen. Dem stimmen Experten wie Lü Chao von der Liaoning-Akademie für Sozialwissenschaften zu. Chinas Liefermix an Rohöl und raffinierten Produkten würde um 40 Prozent reduziert. „Das ist ein riesiger Schlag für Nordkoreas Energieversorgung“, sagte er der Global Times. Falls Pjöngjang seine Nuklearwaffen weiter ausbaut, würde China einen totalen Öl-Lieferboykott erwägen, schrieb das Parteiblatt.
Nordkoreas Machthaber soll für den Fall von Sanktionen vorgesorgt haben, meldete Südkoreas Nachrichtenagentur Yonhap: Schon im April habe Kim seine Behörden angewiesen, die Ölreserven auf eine Million Tonnen zu erhöhen. Das entspräche etwa dem Doppelten der jährlich aus China importierten Menge an Rohöl. Einen Teil davon – nach unterschiedlichen Schätzungen bis zu 300.000 Tonnen – beziehe Kim auch aus Russland.
Peking will US-Garantien
Mit anderen Sanktionsvorhaben setzten sich die USA aber nicht durch. China will erklärtermaßen das Regime nicht an die Wand treiben. UN-Unterhändler Liu Jieyi forderte die USA auf, sie sollten Nordkorea Verhandlungen anbieten und dabei garantieren, keine versteckte Agenda für einen Regimewechsel oder für den Kollaps des Systems zu verfolgen.
Das hatte US-Außenminister Rex Tillerson Chinas Außenminister Wang Yi versprochen. Falls Nordkoreas Führung zu Gesprächen mit den USA über den Abbau ihrer Atomwaffen bereit sei, würde Washington zusagen, keine beschleunigte Wiedervereinigung Koreas zu unterstützen oder USTruppen über die Waffenstillstandsgrenze des 38. Breitengrads zu entsenden, sagte Tillerson.
Tatsächlich ist es vor allem China, das von den USA Zusicherungen hören will, nicht gewaltsam das Kim-Regime zu stürzen. Nordkorea soll als Pufferstaat gegen ein mit den USA verbündetes Südkorea erhalten bleiben. UN-Botschafter Liu: „China wird niemals erlauben, dass es zu Chaos und Krieg auf der Halbinsel kommt.“
Das ist wohl der entscheidende Grund, warum Peking jetzt weit- gehende, aber keine destabilisierenden Sanktionen unterstützt. Dabei weiß es, dass es ohne Regimewechsel keine atomwaffenfreie Zone geben wird. „Das ist der Widerspruch bei uns. Kim wird sich seine Atombomben nicht durch Verhandlungen wegnehmen lassen“, sagt Zhang.
Eine Verhandlungslösung wie mit dem Iran, wie sie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vorschlug, ist für die Nordkorea-Experten nicht praktikabel. Anders als Teheran verfüge Nordkorea über ein entwickeltes Atomwaffenarsenal, das es sich nicht abverhandeln lasse. Es sei ein zuhöchst isolierter Staat, der Sanktionen besser aushalte als der Iran mit seiner weltoffenen Bevölkerung. Kim müsse auf sein Volk keine Rücksicht nehmen. Das mache es für alle so schwer, mit ihm zu verhandeln.