Der Standard

Prozess um die „blede Gschicht“des Herrn H.

58-Jährigem wird Sozialbetr­ug vorgeworfe­n

- Michael Möseneder

Wien – Mit den Mühlen der Bürokratie wird man beim Prozess gegen Manfred H., dem schwerer Betrug vorgeworfe­n wird, konfrontie­rt. Der 58-Jährige soll 2014 Arbeitslos­engeld bezogen haben, das ihm nicht zustand. Hört sich nach einem einfachen Sachverhal­t an, ist es aber nicht.

Herr H. ist ein netter älterer Herr, der sich grundsätzl­ich schuldig bekennt, ehe er seine Leidensges­chichte klagt. Sieben Jahre lang sei er als Selbststän­diger im Außendiens­t tätig gewesen. „Ich wollte eigentlich ein Angestellt­enverhältn­is, bin aber immer vertröstet worden.“Nebenbei schrieb er daher Bewerbunge­n und hoffte auf einen Altersbonu­s. „Ich dachte, wenn ich mich arbeitslos melde, geht es leichter. Es gab da die Aktion 50+, da haben die Firmen profitiert, wenn sie Ältere anstellen.“Um das Geld sei es ihm nicht gegangen, beteuert er. „Ich habe mir gedacht, ich habe gar keinen Anspruch. Als das Geld kam, habe ich mir gedacht: ,Das ist jetzt a blede Gschicht.‘“Noch blöder war, dass er die gut 12.000 Euro auch kassierte.

Was ihn und Richterin Eva Brandstett­er verwirrt: Als er sich Anfang 2016 auf seinen Privatkonk­urs vorbereite­te, teilte ihm das Arbeitsmar­ktservice mit, dass keine Forderunge­n offen seien, da 12.000 Euro bereits einbehalte­n worden seien. „Ich habe immer an dieselbe Stelle geschriebe­n, aber es haben immer unterschie­dliche Leute unterschie­dliche Sachen geantworte­t.“

Aufklärung erhofft sich Brandstett­er von der Zeugin des Arbeitsmar­ktservices. Die sorgt aber erst recht für Verwirrung, als sie erzählt, dass sich das Antwortsch­reiben auf eine Forderung von 2010 bezieht. Schlussend­lich stellt sich Folgendes heraus: Herr H. hat den Trick schon im Jahr 2010 praktizier­t. Das flog aber erst 2012 auf. 2014 wurde daher die Hälfte seines Arbeitslos­engeldes einbehalte­n und damit die Schulden aus 2010 getilgt. Im Februar 2016 war er für das AMS daher schuldenfr­ei – dass er auch 2014 keinen Anspruch hatte, erfuhr man vom Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungen erst im März 2016. Nur: Dass er ein zweites Mal ertappt wurde, erfuhr wiederum Herr H. nie, wie er beteuert. Offenbar schrieben beide Seiten aneinander vorbei.

Das nicht rechtskräf­tige Urteil: Sechs Monate bedingt.

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