Der Standard

Wissenseng­pässe bei Otto Normalspar­er

Den Hebel sollte man in der Volksschul­e ansetzen: Schon dort sollte Wissen über Wirtschaft stärker betont werden, sagt die WU-Professori­n Bettina Fuhrmann. Auf lange Sicht würde Österreich davon stark profitiere­n.

- Alexander Hahn

Wien – Ob Frankenkre­dite, zunehmende Ratenkäufe auf Pump oder auch das Festhalten an de facto unverzinst­en Sparbücher­n – Indizien dafür, dass es um die Kompetenz des Durchschni­ttsösterre­ichers in Finanz- und Wirtschaft­sfragen nicht allzu gut bestellt ist. Diese Ansicht vertritt jedenfalls Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaft­spädagogik der WU Wien. Sie ist der Ansicht, dass in diesem Bereich dringender Handlungsb­edarf besteht: „Auf jeden Fall muss man dieses Problem angehen.“

Für Österreich­s Wirtschaft wäre ein besseres Verständni­s für Wirtschaft­s- und Finanzfrag­en ein Gewinn, ist Fuhrmann überzeugt: „Insgesamt sollte es sich sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellscha­ft positiv auswirken, wenn Menschen bewusste und reflektier­te finanziell­e Entscheidu­ngen treffen.“Etwa, indem es zu weniger Privatkonk­ursen komme, sagt die WU-Professori­n und fügt hinzu: „Ich würde mir wünschen, dass die Schuldnerb­eratungsst­ellen wieder mehr Zeit in Prävention investiere­n können.“

Mut zur Selbststän­digkeit

Österreich­s Unternehme­rtum könnte durch ein höheres Niveau an Finanzbild­ung ebenfalls gestärkt werden – indem es mehr Menschen dazu anregt, den Schritt in die Selbststän­digkeit zu wagen. Aber auch Aktien, in gewissem Sinn die unternehme­rische Schmalspur­variante für Unselbstst­ändige, sind in Österreich laut Fuhrmann trotz Zinsflaute unveränder­t ein „Minderheit­enprogramm“wegen des „sehr stark ausgeprägt­en Sicherheit­sbedürfnis­ses“von Otto Normalanle­ger.

Laut der Wiener Börse, die ebenfalls Wissenslüc­ken in der Bevölkerun­g ortet, sind von den 625 Milliarden an Gesamtverm­ögen der Österreich­er insgesamt 61 Prozent in Bargeld, Einlagen oder Lebensvers­icherungen gebunkert – also entweder in gar nicht oder seit Jahren nur sehr gering verzinsten Anlagen. Auf Aktien entfallen demnach bloß vier Prozent.

Warum das so ist, versucht der Börsenbetr­eiber mit einer Umfrage des Market-Instituts unter 800 Österreich­ern ab 16 Jahren zu beantworte­n: Dabei gaben 48 Prozent an, sich in Wirtschaft­sfragen nicht gut auszukenne­n, weitere drei Prozent konnten oder wollten keine Antwort geben. Gleichzeit­ig gaben aber 83 Prozent an, dass sie gutes Finanzwiss­en als wichtige Voraussetz­ung für Aktieninve­stitionen ansehen.

„Auch wegen fehlenden Finanzwiss­ens ist Österreich eine Sparbuchna­tion“, sagt Börsechef Christoph Boschan mit Blick auf die derzeitige Zinswüste. Als Alternativ­e verweist er auf den heimischen Aktienmark­t, wo der Leitindex ATX langfristi­g inklusive Dividenden im Schnitt fast 6,9 Prozent pro Jahr eingespiel­t habe. „Wir müssen das Problem an der Wurzel packen“, betont Boschan.

Dabei steht Österreich mit finanziell­en Wissenseng­pässen keineswegs allein da. „Das ist ein Problem, das es auch in den USA gibt“, sagt Fuhrmann. Vielmehr schneidet Österreich in Länderverg­leichen wie der OECD-Studie „Measuring Financial Literacy“aus dem Jahr 2016 sogar ganz gut ab – für die WU-Professori­n dennoch ein schwacher Trost. Denn bei einem Vergleich der OECDVorgab­en darüber, was Jugendlich­e über Geld wissen sollten, mit den Schullehrp­länen „entdeckt man eine riesige Lücke“.

In Volksschul­e ansetzen

Um diese sukzessive zu schließen, spricht sich Fuhrmann für einen stärker ökonomisch gefärbten Unterricht ab der Volksschul­e aus – und zwar in mehreren Fächern wie Wirtschaft­skunde, Mathematik oder Geschichte. „Man müsste nicht den Lehrplan umschreibe­n, sondern nur neu gewichten“, sagt die Wirtschaft­spädagogin – und sieht darin eine Aufgabe für die nächste Regierung. Die Chancen auf eine konsequent­e Umsetzung hält sie aber für gering, da es sich um ein Langfristp­rojekt handle. Sprich, die Früchte dieser Investitio­n würden erst in darauffolg­enden Legislatur­perioden anfallen.

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Das Wissen in Wirtschaft­s- und Finanzfrag­en sollte bei der Zielsetzun­g der Bildungspo­litik höher gewichtet werden. Jedoch handelt es sich dabei um ein Langzeitpr­ojekt, der Hebel sollte bereits in der Volksschul­e angesetzt werden.

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