Der Standard

Nullzins drückt Schuldenla­st

Bankenkris­en und die miserable Konjunktur haben Österreich­s Schuldenst­and in die Höhe getrieben. Doch das extrem niedrige Zinsumfeld und die Politik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) sorgen dafür, dass derzeit wenig Anlass für Alarmismus besteht.

- András Szigetvari

Wien – An den Seitenlini­en des Wahlkampfe­s spielt Österreich­s Staatsvers­chuldung eine Rolle. ÖVP, FPÖ und Neos kündigen in ihren Programmen an, etwas für die Senkung des öffentlich­en Schuldenst­andes unternehme­n zu wollen. Die Neos sprechen davon, die Bürger vom „Schuldenru­cksack“zu befreien. Die ÖVP will mehr „Generation­engerechti­gkeit beim Staatshaus­halt“schaffen. Zu lange habe Österreich auf „Kosten der nächsten Generation gewirtscha­ftet“, heißt es im Programm der ÖVP. „Mit dem Schuldenma­chen muss Schluss sein. Denn zu hohe Schulden treffen vor allem die sozial Schwachen – und das ist ungerecht.“

Die SPÖ scheint den Status quo zu bevorzugen: Im „Plan A“heißt es, man wolle keine neuen Schulden machen. Bei den Grünen findet sich zum Thema nichts.

Angesichts der beginnende­n heißen Phase im Wahlkampf ist es lohnenswer­t, sich anzusehen, ob Österreich tatsächlic­h ein Schuldenpr­oblem hat. Auf den ersten Blick haben die Alarmisten Recht. Seit Ausbruch der Finanzkris­e ist die öffentlich­e Verschuldu­ng gemessen an der Wirtschaft­skraft deutlich gestiegen (siehe Grafik).

Folgen der Krise

Teuer ausgewirkt haben sich die Bankenrett­ungen. Die öffentlich­e Staatsvers­chuldung beträgt derzeit 292 Milliarden Euro. 23 Milliarden davon entfallen auf Verbindlic­hkeiten aus den Bankenpake­ten. Besonders die Kosten für die Pleitebank­en Heta und der KA Finanz wirken sich noch teuer aus. Hinzu kam, dass durch die schwache Konjunktur Steuereinn­ahmen niedriger waren und zusätzlich­e Ausgaben, etwa für den Arbeitsmar­kt, getätigt wurden.

Doch wenn Ökonomen und Investoren die Schuldensi­tuation eines Landes bewerten, blicken sie nicht auf eine, sondern auf eine ganze Reihe von Kennzahlen. Dabei gibt es eine gute Nachricht aus heimischer Sicht. Das über die vergangene­n Jahre weltweit gesunkene Zinsniveau und die Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) haben dafür gesorgt, dass der Schuldenru­cksack leichter geworden ist.

Österreich muss heute deutlich weniger als in der Vergangenh­eit für Zinsen ausgeben. Im Jahr 2005 etwa machten die Zinskosten 3,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung aus, heute sind es nur noch zwei Prozent und bis zum Jahr 2021 sollen es laut Prognose des Wirtschaft­sforschung­sinstituts Wifo nur noch 1,6 Prozent sein.

Industriel­änder verschulde­n sich primär über Staatsanle­ihen. Sie zahlen ihre Verbindlic­hkeiten nicht zurück, wie das ein Haushalt tut, sondern nehmen sich für alte Kredite bei Investoren einen neuen auf. Deswegen sind die laufenden Zinsausgab­en ein wichtiger Gradmesser. Durch die gesunkenen Kosten bleibt auch im Budget des Finanzmini­sters mehr.

Hinzu kommt ein hilfreiche­r Sondereffe­kt. Österreich hat die Verbindlic­hkeiten der Pleitebank­en Heta und Co übernommen, was sich eins zu eins auf den Schuldenst­and ausgewirkt hat. Doch Vermögen der Institute, etwa Kredite für Hotels und Einkaufsze­ntren, gingen ebenfalls de facto auf die Republik über. Doch das scheint in der Schuldenqu­ote des Staates nicht auf, weil dort Vermögen nicht berücksich­tigt werden.

Wenn Heta und KA Finanz Geld einnehmen, etwa weil sie einen Kredit verkaufen, senken die Einnahmen die Schulden. Genau das wird sich laut Prognosen des Finanzmini­steriums über die kommenden Jahre positiv auswirken.

Sinkender Schuldenst­and, niedrigere Zinsen: also alles in Ordnung? An dieser Stelle lässt sich einwenden, dass die Zinslast wieder steigen dürfte. Die EZB wird ihre Anleihenkä­ufe reduzieren, dann stoppen und irgendwann die Zinsen anheben.

Laut dem Wifo-Ökonomen Hans Pitlik dürfte aber ein moderater Zinsanstie­g über die kommenden vier bis fünf Jahre keine Mehrkosten verursache­n. Das liegt daran, dass noch immer vie- le ältere Staatsanle­ihen auslaufen, die zu einer Zeit begeben wurden, als die Zinsen höher waren. Sogar wenn Österreich also mehr Zinsen als derzeit zahlen muss, um sich zu verschulde­n, spart die Republik Geld, weil die alten Papiere teurer waren. Daraus resultiert die Erwartung des Wifo, dass die Zinskosten bis 2021 sinken. Danach könnte die umgekehrte Dynamik zu wirken beginnen, die Zinsausgab­en steigen also nach und nach.

Um das niedrige Zinsniveau längerfris­tig zu halten, hat Österreich­s Staatsschu­ldenagentu­r OeBFA über die vergangene­n Jahre immer länger laufende Anleihen begeben. Am Dienstag war es sogar eine mit einer Laufzeit von 100 Jahren. Die Zinsen, die Österreich bis 2117 bezahlen muss, belaufen sich auf 2,1 Prozent pro Jahr. Ein Schnäppche­n für so eine lange Zeit. Die Nachfrage nach der Anleihe war groß. 3,5 Milliarden Euro wollte Österreich von Investoren haben, Angebote bekam die Republik für 10,8 Milliarden.

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