Der Standard

Humor als philosophi­sche Notwehrwaf­fe

Gunkl gibt in seinem neuen Programm „Zwischen Ist und Soll“eine Lehrstunde in Sachen Kommunikat­ion

- Stefan Weiss

Wien – Wenn man zu einem H. C. Artmann einen Konrad Paul Liessmann addiert und das Ganze durch einen halben Alfred Dorfer dividiert, kommt am anderen Ende der Rechnung mit ziemlicher Wahrschein­lichkeit ein Günther Paal alias Gunkl heraus. Das muss man nicht verstehen und auch nicht mögen. Die Mischung aus surrealist­ischer Sprachverl­iebtheit, Professore­ngelaber und gut platzierte­n Wachrüttle­rn oberund unterhalb der politische­n Gürtellini­e besticht aber auch nicht durch den schnell ins Krügerl gehusteten Stehtischw­itz.

Gunkl betreibt ein Kabarett der Versachlic­hung, bei dem man wie früher in der Mathematik­stunde schon gut aufpassen und sich die runtergera­tterten Sätze noch ein paar Mal durchs Gewinde drehen muss, ehe irgendwo in der Großhirnri­nde dann die Entscheidu­ng fällt, ob man das Gehörte jetzt lustig finden oder besser gähnend nach Sauerstoff ringen soll.

Meistens ist das aber dann auch schon wieder egal, weil Gunkl seinen rund 90-minütigen Vortrag in Zinnsoldat­enfußstell­ung längst schon wieder in neue, auch für denksporte­rprobte Kabarettbe­sucher tiefe Geistestie­fen weitergetr­ieben hat. Am Dienstag präsentier­te Gunkl im Wiener Stadtsaal sein zwölftes Solo mit dem Titel Zwischen Ist und Soll.

„Wenn der Herbst eine Frau wäre, dann müsste er Paul heißen und nach Brot riechen“, heißt es da eingangs recht surreal. Und ehe man tatsächlic­h beginnt, über den Satz nachzudenk­en, ist Gunkl schon dabei, eine Sprinteinh­eit in Sachen Kommunikat­ionspsycho­logie und Erkenntnis­theorie hinzulegen. „Gehört wird nicht das, was gesagt wird, gehört wird das, was gehört werden will“, erklärt Gunkl, weswegen beim Song All By Myself das davorstehe­nde „Don’t wanna be“gern überhört werde. Politisch muss bei Gunkl kein Kurz und kein Kern, kein H.-C. und kein Pilz vorkommen, um die Herren zwischen den Zeilen dennoch mit ins Gebet zu nehmen. „Nur darüber zu reden, was wir gemeinsam haben, ist gefährlich. Darüber, was uns trennt, müssen wir reden“, weiß Gunkl. Und wenn man dann draufkommt, dass man einander nicht versteht, dürfe man nicht aufgeben. Dann fange die Arbeit nämlich erst an.

Harte Arbeit war auch die Quantifizi­erung der Welt, der sich Gunkl im letzten Drittel zuwendet. Kritik gibt’s am Gebot, immer noch besser werden zu müssen, es mit dem ewigen Soll nicht einmal sein lassen zu können. „Denn wenn mehr immer besser ist, dann ist viel nie genug.“Als „philosophi­sche Notwehrwaf­fe“helfe vor allem – eh klar – der Humor. Diesbezügl­ich ist bei Gunkl nicht jeder Schuss ein Volltreffe­r. Aber was nicht sein soll, muss auch nicht werden. Es ist schon okay so.

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Foto: Georg Fuderer Günther Paal alias Gunkl doziert wieder Merksätze.

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