Der Standard

Madrid macht gegen Katalonien-Votum mobil

Referendum am 1. Oktober soll verhindert werden – Machtkampf mit Barcelona

- Reiner Wandler aus Barcelona

Madrid macht Ernst. Das katalanisc­he Unabhängig­keitsrefer­endum soll um jeden Preis verhindert werden. Die spanische Generalsta­atsanwalts­chaft lädt nun 712 der 960 Bürgermeis­ter der nordostspa­nischen Region vor: Sie werden beschuldig­t, sich über Anordnunge­n des Verfassung­sgerichts hinwegzuse­tzen, weil sie am 1. Oktober der katalanisc­hen Autonomier­egierung unter Carles Puigdemont Wahllokale zur Verfügung stellen wollen – und das, obwohl das spanische Verfassung­sgericht die Volksabsti­mmung bereits suspendier­t hat.

„Für den Fall, dass die vorgeladen­en Bürgermeis­ter nicht erscheinen, wird deren Vorführung durch die katalanisc­he Autonomiep­olizei angeordnet“, heißt es im Schreiben von Generalsta­atsanwalt José Manuel Maza. Die meisten wollen der Vorladung Folge leisten, doch einige Gemeindevo­rsteher der antikapita­listischen CUP – der kleinsten der drei Parteien, die für die Unabhängig­keit Katalonien­s eintreten – wollen sich weigern. Gemeinsam wollen jedenfalls alle 712 Bürgermeis­ter am Samstag gegen die Vorladung demonstrie­ren.

Das ist nicht Mazas erste Maßnahme, er ermittelt bereits gegen die katalanisc­he Regierung und herausrage­nde Parlamenta­rier der drei Unabhängig­keitsparte­ien: der konservati­ven PDeCat von Puigdemont, der linken ERC und der CUP. Außerdem hat der Generalsta­atsanwalt den Chef der katalanisc­hen Autonomiep­olizei direkt – über den Kopf des katalanisc­hen Innenminis­teriums hinweg – angewiesen, Urnen und Stimmzette­l zu suchen und zu beschlagna­hmen. Auch mehrere lokale Polizeiste­llen erhielten diesen Befehl.

„Das ist eine Ungeheuerl­ichkeit“, wetterte Puigdemont in einem TV-Interview am Mittwochab­end. Er und seine Regierung würden auf jeden Fall an der Ab- stimmung festhalten – auch wenn dies rechtliche Schritte gegen seine Person zur Folge habe. Puigdemont ließ zudem die von Madrid gesperrte Website für das Referendum mit einer neuen Adresse wieder freischalt­en. „Wir wollen noch immer eine mit Madrid ausgehande­lte Volksabsti­mmung“, bot Puigdemont dem konservati­ven Ministerpr­äsidenten Spaniens, Mariano Rajoy, einmal mehr einen Dialog an.

Rajoy stellt sich taub

Doch dieser stellt sich taub und bereitet weitere Schritte vor. Mehrere Tausend Polizisten und Guardia-Civil-Angehörige werden nach Katalonien verlegt. Außerdem wird richterlic­h geprüft, am Wahltag den Strom in den Wahllokale­n zu kappen. Im Notfall schließt Madrid auch eine Amtsentheb­ung der katalanisc­hen Regierung nicht aus, wie es die Verfassung laut Artikel 155 vorsieht. Dort ist auch von einem möglichen Einsatz der Armee – „des Garanten der Einheit Spaniens“– die Rede.

Am Freitag beginnt offiziell der Wahlkampf für das Referendum, so sieht es das vom Verfassung­sgericht suspendier­te katalanisc­he Gesetz vor. Puigdemont will in Badalona, der drittgrößt­en Stadt Katalonien­s, auftreten. Auch dies ist laut spanischer Regierung und Justiz illegal. Eine Informatio­nsveransta­ltung in Madrid selbst wurde bereits richterlic­h verboten.

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Foto: AFP / Josep Lago Für Katalonien­s Premier Puigdemont steht viel auf dem Spiel.

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