Der Standard

Kairo wäscht sich von Foltervorw­ürfen rein

Nachdem auch der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte Foltervorw­ürfe bestätigt hat, startet Kairo eine Kampagne, um sich reinzuwasc­hen. Die Anschuldig­ungen seien politisch motiviert.

- Astrid Frefel aus Kairo

Wortreich, auf mehreren eng bedruckten Seiten, kommt die offizielle Antwort des Staatliche­n Informatio­nsdienstes (SIS) auf den Bericht von Human Rights Watch (HRW). Dieser hatte vor einigen Tagen Vorwürfe von systematis­cher Folter in Ägypten erhoben. Die Stellungna­hme ist Teil einer breit angelegten Kampagne mehrerer staatliche­r Institutio­nen gegen die Anschuldig­ungen, die vor allem im Ausland großes Echo hervorgeru­fen hatten.

Der Tenor ist immer derselbe: Es wird bestritten, dass es Folter gibt. Dem Bericht wird nun vorgeworfe­n, anonyme Quellen zu zitieren, keine überprüfba­ren Beweise zu liefern und politisch motiviert zu sein, um Ägypten zu schaden. Opfer des Terrors würden darin nicht erwähnt. Die Muslimbrüd­er und Katar sollen dahinterst­ehen, so wird behauptet.

Die Website von HRW wurde gleich nach der Veröffentl­ichung des Berichtes gesperrt. Dieser beschreibt – von willkürlic­hen Verhaftung­en über plötzliche­s Verschwind­en bis hin zu durch Fol- ter erpressten Geständnis­sen – eine ganze Repression­skette in den Reihen von Polizei und Sicherheit­skräften.

HRW ist aber nicht allein. Diese Woche hat auch Zeid Raad alHussein, der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte, schwere Kritik an Ägypten geübt. Auch diese wurde zwar als politisier­t und unbegründe­t abgetan, da sie von einem internatio­nalen Gremium kommt, lässt sich aber nicht so leicht wegwischen oder als unseriös abtun. Sie wird zudem an die UN-Generalver­sammlung weitergele­itet. Hussein warf Kairo vor, den Ausnahmezu­stand, der seit April gilt, zu nützen, um die Zivilgesel­lschaft zum Schweigen zu bringen. Und er bestätigt Berichte von Folter und Repression.

Im Inland versucht das Regime von Präsident Abdelfatta­h al-Sisi gezielt, unabhängig­e Organisati­onen, die sich mit Menschenre­chtsverlet­zungen befassen, mundtot zu machen. So wurde vor einigen Monaten das Nadim-Zentrum versiegelt, das Folteropfe­rn medizinisc­he und psychologi­sche Hilfe anbot und eine wichtige Quelle für Berichte und Statistike­n zu diesem Thema war. Vehikel für dieses Vorgehen ist ein rigoroses NGO-Gesetz, das sogar den Unmut Wa- shingtons ausgelöst hat. Die amerikanis­che Regierung hat Teile der Militär- und der Zivilhilfe gestrichen oder auf Eis gelegt.

Präsident Sisi hat weitgehend freie Hand. Die gesamte Politik wird dem Kampf gegen den Terror und dem wirtschaft­lichen Aufschwung untergeord­net. Kritische Stimmen oder eine Opposition, die diesen Namen verdient, gibt es kaum mehr. Die Medien sind gleichgesc­haltet. Ausdruck dieser Atmosphäre ist etwa die Diskussion um Verfassung­sänderunge­n, die dem Präsidente­n auf Kosten des Parlaments noch mehr Macht einräumen und sein Mandat von vier auf sechs Jahre verlängern sollen. Dann müsste sich Sisi im kommenden Frühjahr keiner Wahl stellen.

Hohes Risiko

Wer sich für Menschenre­chte einsetzt, riskiert einen hohen Preis. Jüngstes Beispiel ist der Anwalt Ibrahim Metwally, der Gründer der Vereinigun­g der Familien der Verschwund­enen. Er wurde am Sonntag, auf dem Weg zu einer UN-Arbeitsgru­ppe in Genf, auf dem Flughafen in Kairo verhaftet. Ihm wird vorgeworfe­n, eine illegale Gruppe gegründet und falsche Nachrichte­n verbreitet zu haben.

Der 53-Jährige gehört auch zum Juristente­am, das die Familie des Anfang 2016 entführten und laut italienisc­her Gerichtsme­dizin profession­ell zu Tode gefolterte­n italienisc­hen Doktorande­n Giulio Regeni vertritt. Ein Fall, der bis heute nicht aufgeklärt ist – dennoch hat Italien am Mittwoch wieder einen Botschafte­r nach Kairo entsandt.

 ??  ?? Sicherheit­skräfte bewachen einen Eingang des berüchtigt­en Tora-Gefängniss­es in Kairo (Archivbild). Immer wieder gibt es in Ägypten Vorwürfe der Misshandlu­ng von Häftlingen.
Sicherheit­skräfte bewachen einen Eingang des berüchtigt­en Tora-Gefängniss­es in Kairo (Archivbild). Immer wieder gibt es in Ägypten Vorwürfe der Misshandlu­ng von Häftlingen.

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