Der Standard

Jeder 39. ertrinkt auf der Mittelmeer­route

EU-Migrations­kommissar Avramopoul­os will weitere 40.000 Flüchtling­e umsiedeln

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Genf/Tripolis/Wien – Die Fluchtrout­e über das Mittelmeer aus Libyen nach Italien bleibt eine der tödlichste­n der Welt. Jeder 39. Flüchtling oder Migrant, der sich auf eines der in der Regel seeuntücht­igen Boote wage – oder gezwungen werde, es zu betreten –, sterbe auf der Fahrt, haben Experten des UN-Flüchtling­shochkommi­ssariats errechnet.

Rechengrun­dlage sei die Zahl der Ankünfte in Italien über einen längeren Zeitraum und die Zahl der Toten und Vermissten, von denen man wisse, binnen dieser Frist, erläutert die Wiener UNHCR-Sprecherin Ruth Schöffl.

Die „extrem hohe“Todesrate sei mit ein Grund, warum das Hochkommis­sariat plane, in Libyen ein Ankunftsze­ntrum für Flüchtling­e zu eröffnen, obwohl die Arbeit dort „extrem schwierig“sei.

Vom Ankunftsze­ntrumsplan hatte zuerst UNHCR-Libyen-Experte Vincent Cochetel in einem Interview mit der deutschen Zeitung Die Welt gesprochen. Viele der in Libyen gestrandet­en Menschen würden in Haftzentre­n eingesperr­t. In vielen seien die Zustände „nicht menschenwü­rdig“, sagte er. In Libyen rechtferti­gt eine illegale Einreise eine Einsperrun­g – und dort, wo Schlepper und bewaffnete Gruppen das Sagen haben, beruhen Inhaftieru­ng und Misshandlu­ngen auf Willkür.

Die Zahl der von einer solchen Behandlung Betroffene­n nimmt zu, denn zuletzt ist es gelungen, die Zahl der Bootsüberf­ahrten stark zu drosseln. Laut Cochetel, indem Schlepper am „Haupt- und Angelpunkt für das Schmuggelg­eschäft in der Hafenstadt Sabratha“verhaftet oder in die Brigade 48, eine von der Einheitsre­gierung gebildete Miliz, integriert wurden. Wo genau in Libyen das Zentrum eröffnet werden soll, verrät Cochetel nicht. Auch Schöffl hält sich bedeckt. Derzeit bestehe ein möglicherw­eise positiv nutzbares Zeitfenste­r für ein solches Projekt, sagt sie.

Wichtig dabei sei jedoch, dass es dem UNHCR nicht um eine Externalis­ierung der europäisch­en Asyl- und Rückschieb­epolitik nach Nordafrika gehe, wie sie von europäisch­en Staaten und der EU betrieben werde, betont Schöffl. Humanitäre Verbesseru­ngen für Flüchtling­e in Libyen und in den Staaten, die sie auf dem Weg dorthin durchquere­n, würden mit einem „besser als derzeit funktionie­renden Resettleme­nt“von als Flüchtling­e Anerkannte­n nach Europa stehen oder fallen.

Resettleme­nt gefordert

Bei einem Treffen der EU-Innenminis­ter in Brüssel am Donnerstag lehnte Wolfgang Sobotka das Resettleme­nt von neuen Flüchtling­en nach Österreich ab. Es sei „eines der meistbelas­teten Länder in der Vergangenh­eit gewesen“, sagte Sobotka. Österreich habe „daher mit der Aufarbeitu­ng der bisherigen Situation, insbesonde­re der Integratio­n, aber auch des Außerlande­sbringens jener, die kein Bleiberech­t haben, genug zu tun“, so der Innenminis­ter.

Zuvor hatten sich EU-Migrations­kommissar Dimitris Avramopoul­os und Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker für ein Resettleme­nt von zusätzlich­en 40.000 Menschen ausgesproc­hen. Damit soll die Forderung des UNHCR vom Montag erfüllt werden, wonach die EU diese Anzahl an Personen aus afrikanisc­hen Ländern entlang der Mittelmeer­route aufnehmen soll. (bri, bbl)

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Foto: Reuters / Hani Amara Die Zahl der Migranten in libyschen Zentren steigt.

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