Der Standard

Prozess gegen heimlich verlobte Schriftste­llerin

61-Jährige soll Todkrankem Sparbücher und Geld herausgelo­ckt haben, was sie leugnet

- Michael Möseneder

Wien – Die Beziehung zwischen Hans J. und Frau P. war entweder eine sehr seltsame Liebesgesc­hichte – oder nicht existent und nur eine von Frau P. benutzte Ausrede, um Teile des Erbes von Herrn J. zu bekommen. Welche Version stimmt, muss ein Schöffense­nat unter Vorsitz von OliviaNina Frigo klären.

Die Frage nach ihrem Beruf beantworte­t die 61-jährige Angeklagte, der schwerer Diebstahl, Betrug, Untreue und Urkundenun­terdrückun­g vorgeworfe­n wird, mit: „Ich bin jetzt Schriftste­llerin, da geht man natürlich nicht in Pension.“– „Und wie hoch ist Ihr Einkommen?“, will Frigo wissen. „Überhaupt nichts, damit verdiene ich nichts. Ich bekomme Unterhalt von meinem Mann.“

Womit man in der komplizier­ten Familienst­ruktur von Frau P. ist. 1976 hat sie diesen Mann geheiratet, drei Kinder bekommen. 1991 seien Herr J. und sie ein Paar geworden – als beide noch verheirate­t gewesen seien. In den Nullerjahr­en ließ sich J.s Frau scheiden, zog aber erst 2005 aus der gemeinsame­n Wohnung. 2011 erreichte der Gatte der Angeklagte­n die Scheidung, danach habe sie sich mit Herrn J. verlobt. Geheim. „Er wollte auf eine passende Gelegenhei­t warten, um es seinen drei Söhnen zu sagen.“

„Das hat aber lange gedauert, bis auch Sie geschieden waren“, wundert sich Frigo. „Es ging um die Verschulde­nsfrage. Sie ist aus seinem Verschulde­n geschieden worden, er hat sie zerrüttet“, lautet die überrasche­nde Begründung. Noch überrasche­nder ist, dass sie in der Wohnung blieb und nicht zu Herrn J. in dessen nahes Haus zog. „Ich habe dort regelmäßig gewohnt“, behauptet sie.

Im Jänner 2015 wurde bei Herrn J. ein Gehirntumo­r diagnostiz­iert, Ende März 2015 starb er mit 70. In dieser Zeit bekam die Angeklagte von ihm eine Kontovollm­acht, soll Sparbücher samt Losungswor­t ge- schenkt bekommen haben, darüber hinaus sollen Goldmünzen im Wert von 37.000 Euro und ein teurer Teppich verschwund­en sein.

Die Sparbücher seien Geschenke gewesen, beteuert Frau P., über Münzen und Auslegewar­e wisse sie nichts. Man sei auch gemeinsam beim Notar gewesen. Seltsamerw­eise behaupten aber sowohl dieser Jurist als auch ein Bankangest­ellter, dass Herr P. geistig nicht ganz klar gewesen sei. Die Angeklagte sagt dagegen, die Söhne würden Druck auf die Zeugen ausüben. Noch seltsamer ist, dass Frau P. in ihrem Tagebuch festhielt, Herr J. würde ihr „Gier“vorwerfen. „Die Tagebücher sind nicht immer real, das ist nicht eins zu eins umzulegen“, beruft sie sich auf künstleris­che Freiheit.

Mittlerwei­le ist sie übrigens wieder mit ihrem Ex-Mann verheirate­t, der ein Pflegefall wurde. „Er hat gesagt, er hat etwas gutzumache­n. Und ich hatte ja keine Perspektiv­e“, begründet sie die neuerliche Eheschließ­ung.

Für weitere Zeugen vertagt.

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