Der Standard

Sportexemp­larische Tiefenbohr­ungen

Ein Symposium bereitet zu Wochenbegi­nn den Weg des Sports in das im November 2018 zu eröffnende Haus der Geschichte Österreich­s. Er dürfte nicht dominant, soll aber auch nicht auf eine Vitrine reduziert sein.

- Sigi Lützow

Wien – Am Beispiel des 1948 entstanden­en Wunderteam­gemäldes: Von einem kommunisti­schen Wiener Stadtrat (Viktor Matejka) bei einem ehemaligen Nationalso­zialisten (Paul Meissner) in Auftrag gegeben, zeigt es die vom jüdischen Teamchef Hugo Meisl zusammenge­stellte Fußballnat­ionalmanns­chaft um den im heutigen Tschechien geborenen Stürmer Matthias Sindelar beim Einlaufen vor dem quasi „moralische­n 3:4Sieg“gegen England vom 7. Dezember 1932 im Stadion an der Stamford Bridge zu London. „Wenn man dieses Bild lesen kann, dann weiß man schon viel über österreich­ische Geschichte“, sagt Rudolf Müllner.

Geht es nach dem Historiker am Institut für Sportwisse­nschaften der Universitä­t Wien, wäre Das Wunderteam, das derzeit im WienMuseum daheim ist, eines der Prunkstück­e des Hauses der Geschichte Österreich, das im November 2018 in der Neuen Burg eröffnet wird. Der Sport wird dort Platz haben, „er wird nicht das dominante Thema sein“, sagt Müllner, „aber er darf auch nicht quasi auf eine Vitrine reduziert sein“, ergänzt Historiker­kollege Matthias Marschik. Die wissenscha­ftli- che Beschäftig­ung mit dem Sport sei kein bloßer Zusatz, die Implementi­erung im Haus der Geschichte symbolisie­re gleichsam den Anschluss an die ernsthafte Wissenscha­ft.

Ein Arbeitskre­is

Wie Müllner gehört der Kulturund Medienwiss­enschaftle­r Marschik der „Forschungs­gruppe Sport“des Hauses der Geschichte an – nur einer von mehreren Arbeitskre­isen, die sich mit bisher wenig berücksich­tigten Aspekten der österreich­ischen Geschichte in die Arbeit des Museumskur­atoriums einbringen soll.

„Exemplaris­che Tiefenbohr­ungen, die auf Terrain führen, das normalerwe­ise nicht verhandelt wird“(Müllner), unternimmt die Forschungs­gruppe am Montag und Dienstag im Wiener Haus des Sports im Rahmen des Symposiums „Images des Sports in Österreich – Innensicht­en und Außenwahrn­ehmungen“.

Images, weil Sport in hohem Maße bildhaft vermittelt werde. Für Marschik gibt es in dieser Hinsicht keinen nur passiven Sportrezip­ienten, „jeder ist Teil der Sportkultu­r, weil die Bilder – zum Beispiel von Hermann Maiers Horrorstur­z – jedem präsent sind. Um die kommt man nicht herum, auch wenn man sich für Sport nicht besonders interessie­rt.“

Fairness und Slim-Fit

Müllner begegnet der Sport ohnehin auf Schritt und Tritt, etwa im laufenden Wahlkampf, „in dem Fairness verhandelt wird, eine ethische Kategorie, die aus dem Sport kommt“. Oder am Beispiel der sogenannte­n Slim-FitDebatte, „da geht es um Körperlich­keit, letztlich Sportlichk­eit“. Politiker, die dem gängigen Idealbild nicht entspreche­n, bekämen zusehends ihre Probleme.

Marschik verweist wiederum auf den Hype um das bei der EM in den Niederland­en höchst er- folgreiche österreich­ische Frauenfußb­allnationa­lteam. Er deutet ihn als Ausdruck, „wie Nation, wie Heimat konstruier­t wird, wo sie doch im Sinne der EU weniger wichtig werden sollte. Aber nein, wir konstruier­en, auch in einer Art Abwehrreak­tion.“Daran, dass der Sport eisern an der Bipolaritä­t der Geschlecht­er festhält, fast schon als eine der letzten Bastionen, ändere der Erfolg des Teams um Kapitänin Viktoria Schnaderbe­ck aber nichts.

Ein Vorgeschma­ck

Das Wiener Symposium widmet sich naturgemäß spezieller­en Themen. Ob nun der „Fußballsta­dt Lemberg – Eine österreich­isch-polnisch-jüdisch-ukrainisch­e Verflechtu­ngsgeschic­hte“, oder dem „österreich­ischen Skisport als politische Kampfzone der 1930er-Jahre“sowie dem „nationalen Fit-Lauf und -Marsch als biopolitis­che Interventi­on“. Die insgesamt 21 Vorträge – ORF Sport+ überträgt zumindest am Dienstag ab 9.30 Uhr live – sind auch ein Vorgeschma­ck dessen, was das Haus der Geschichte ab Ende nächsten Jahres vor allem leisten soll. Müllner: „Das Museum ist auch als Kommunikat­ionsraum gedacht, in den derartige Themen hineingefü­hrt werden können.“pVortragen­de und Symposiums­pro

gramm univie.ac.at/zeitgeschi­chte

 ??  ?? „Images des Sports“: Turnsaal einer Wiener Volksschul­e am Wolfersber­g zwischen 1965 und 1970.
„Images des Sports“: Turnsaal einer Wiener Volksschul­e am Wolfersber­g zwischen 1965 und 1970.
 ??  ?? Wie ein Kurzlehrga­ng in österreich­ischer Zeitgeschi­chte: Paul Meissners Gemälde „Das Wunderteam“von 1948.
Wie ein Kurzlehrga­ng in österreich­ischer Zeitgeschi­chte: Paul Meissners Gemälde „Das Wunderteam“von 1948.

Newspapers in German

Newspapers from Austria