Der Standard

Das IOC zwischen Wunsch und Wirklichke­it

Die Freude von Paris und Los Angeles über die längst fixierte Vergabe der Spiele 2024 und 2028 kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass es Chefolympi­er Thomas Bach bis dato nicht gelang, Krisen zu meistern.

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Lima – Thomas Bach lächelte auffällig lange, als sich die Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo und ihr Amtskolleg­e Eric Garcetti aus Los Angeles in den Armen lagen. Die umjubelte Doppelverg­abe der Sommerspie­le 2024 und 2028 in Lima kann der IOC-Präsident als Erfolg verbuchen. Ansonsten überwiegen zur Halbzeit seiner Agenda 2020 die Sorgen.

Die 2014 auf der IOC-Session in Monaco begeistert durchgewin­kte Reform brachte Olympia bislang keinen Gewinn an Glaubwürdi­gkeit. Im Gegenteil. Anhaltende Skandale erschütter­n das IOC, die Zahl der Olympiabew­erber ist dramatisch gesunken. Für 2024 gab es bloß zwei Kandidaten. Der erhoffte Imagegewin­n gelang Bach noch nicht, dennoch widmete er auf der 131. IOC-Session in Lima am Donnerstag seiner Agenda einen halben Tag.

Nachhaltig­keit und Glaubwürdi­gkeit, das waren die beiden Waffen der Reform, mit denen der einstige Fechter zu Felde zog. Wie schlecht es jedoch um die Nachhaltig­keit bestellt ist, bekommt der letzte Gastgeber Rio gerade zu spüren. Die Sportstätt­en von Barra und Deodoro dümpeln vor sich hin. Rio, ausgelaugt von der Wirtschaft­skrise, aber auch vom teuren olympische­n Spektakel, hat kein Geld für die Nachnutzun­g und bettelte das IOC jüngst um 30 Millionen Euro an.

Die Glaubwürdi­gkeit des Ringeorden­s wurde zudem durch die jüngsten Skandale weiter beschädigt. Spitzenfun­ktionär Patrick Hickey trat ob einer angebliche­n Verwicklun­g in den Rio-Ticketskan­dal aus der Exekutive zurück. Rios OK-Chef, IOC-Ehrenmitgl­ied Carlos Arthur Nuzman, soll seine Finger beim Stimmenkau­f vor der Vergabe der Spiele 2009 im Spiel gehabt haben.

Und dann die hohen Kosten. Noch immer ist Olympia extrem teuer, auch wenn Bach Kostensenk­ungen für das Bewerbungs­verfahren durchsetzt­e. Und die letz- ten Ausrichter dienen künftigen Gastgebern, bei denen alles besser werden soll, als abschrecke­ndes Beispiel. Rios Gesamtkost­en werden mittlerwei­le auf 11,4 Milliarden Euro geschätzt.

Putins Sotschi 2014 mit seinen 50 Milliarden Dollar gilt nach wie vor als Sinnbild des olympische­n Gigantismu­s. Schon jetzt ist klar, dass die Kosten von Tokio 2020 aus dem Ruder laufen.

„Das ist Frankreich“

Paris hat nun einen Etat von 6,6 Milliarden Euro aufgestell­t, Los Angeles kommt mit 4,8 Millionen Euro aus. In Paris setzt man darauf, dass dank Olympia ein Ruck durchs Land geht. „Das ist ein Sieg für uns, für unsere Jugend, für unser Selbstvert­rauen“, sagte Hidalgo. Und Staatspräs­ident Emmanuel Macron schwärmte: „Dieser Sieg, das ist Frankreich!“Und Bach? Der ranghöchst­e Sportfunkt­ionär hat die Probleme der olym- pischen Bewegung erkannt und benannt, doch sein Durchgreif­en geht nicht weit genug. Der Betrachter hat nie das Gefühl, dass sich wirklich etwas tut.

So auch bei der bislang größten Affäre während seiner Amtszeit um das staatlich gelenkte Dopingsyst­em in Russland. Das Riesenreic­h hatte das IOC mit seinen Dopingprak­tiken bei den Winterspie­len in Sotschi lächerlich gemacht. Doch statt mit einem Ausschluss der russischen Mannschaft von Rio oder mindestens einem Verbot von Flagge und Hymne ein deutliches Zeichen zu setzen, ließ das IOC viele Russen starten – natürlich in Landesfarb­en.

Erstaunlic­h ist, welch hohen Stellenwer­t die Agenda 2020 in der Kommunikat­ion des IOC hat. Dass die Reformen aber meistens nicht weit genug gehen und sich im Kern wenig geändert hat, ist bislang die eigentlich­e Wahrheit der Agenda 2020. (sid, red)

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IOC-Präsident Thomas Bach zeigt, was Sache ist, die Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo und Amtskolleg­e Eric Garcetti zeigen sich erfreut.

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