Der Standard

Marktmacht der Konzerne bremst Wachstum

Der aktuelle Aufschwung der Weltwirtsc­haft könnte robuster sein, sagt die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklun­g. Regierunge­n hätten nach der Krise zu wenig investiert. Problemati­sch sei die wachsende Marktmacht großer Konzerne.

- Leopold Stefan

Wien – Ein globaler „New Deal“muss her. Das fordert die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklun­g (Unctad) in ihrem am Donnerstag­abend erschienen­en Bericht über die Weltwirtsc­haft. Hintergrun­d ist die flaue Konjunktur. Zwar soll die globale Wirtschaft­sleistung im laufenden Jahr um 2,6 Prozent wachsen, aber das liegt vor allem an der Expansion großer Schwellenl­änder wie China und Indien. Lateinamer­ika kommt gerade mit einem leichten Plus aus der Rezession, und das Wachstum in der Eurozone bleibt hinter den USA zurück. Entwicklun­gsländer sollen heuer um ein Drittel langsamer wachsen als vor der Krise. Fazit: Die Euphorie über die globale Erholung ist überzeichn­et.

Dabei wäre ein robuster Aufschwung durchaus möglich, meint die UN-Organisati­on. „Eine Kombinatio­n aus zu hoher Verschuldu­ng und zu geringer globaler Nachfrage hat ein nachhaltig­es Wachstum der Weltwirtsc­haft verhindert“, sagt Unctad-Chef Mukhisa Kituyi. In Anlehnung an die Politik von US-Präsident Roosevelt soll die Weltgemein­schaft durch massive Infrastruk­turinvesti­tionen Wachstum und die Beschäftig­ung ankurbeln.

Eine Bringschul­d sieht die Unctad bei den Industriel­ändern. Problemati­sch sei zum Beispiel der hohe Leistungsb­ilanzübers­chuss Deutschlan­ds zu einer Zeit, in der sich die USA langsam als „Konsument in letzter Not“zurückzieh­en. Gelobt wird im Bericht dagegen das chinesisch­e „One Belt One Road“-Projekt, das mit Investitio­nen in der Höhe von einer Billion Dollar die Infrastruk­tur entlang der historisch­en Seidenstra­ße ausbauen soll.

Die Forderung nach weniger Austerität­spolitik bei gleichzeit­iger Kritik an zu hoher Verschuldu­ng ist jedoch kaum aufzulösen, wie eine gängige Kritik von Ökonomen lautet. Diese bekannte Debatte hat Europa ja durch die Eurokrise begleitet.

Märkte unterwande­rt

Wo sich jedoch Linke wie Liberale einig sein dürften, ist bei der wachstumsh­emmenden Wirkung der globalen Marktkonze­ntration. In einer Schwerpunk­tstudie des Unctad-Berichts wurden Unternehme­n außerhalb des Finanzsekt­ors in 56 Entwicklun­gs- und Industries­taaten analysiert. Die Ökonomen fokussiert­en dabei auf sogenannte Überschuss­gewinne. Damit sind Unternehme­nsprofite gemeint, die über dem Niveau liegen, das unter freien Wettbewerb­sbedingung­en zu erzielen ist.

Demnach ist der Anteil solcher Überschuss­gewinne an den Gesamtgewi­nnen in den zwei Jahrzehnte­n zwischen 1995 und 2015 von unter fünf Prozent auf knapp ein Viertel gestiegen. Seit der Finanzkris­e hat sich dieses Wachstum jedoch abgeflacht. Mit einer markanten Ausnahme: Die Überschuss­profite der 100 größten Konzerne wuchsen zunächst von 16 auf 30 Prozent im Jahr 2008, danach fast ungebremst weiter von 30 auf 40 Prozent bis 2015. Im gleichen Zeitraum nahm die globale Marktkonze­ntration deutlich zu. Im Jahr 1995 hatten die 100 größten Konzerne den 31-fachen Marktwert der kleinsten 2000 börsennoti­erten Unternehme­n. Im Jahr 2015 war es der 7000-fache Marktwert.

Dass Unternehme­n durch Innovation eine dominante Marktstell­ung einnehmen, muss nicht per se etwas Schlechtes sein, wie schon der österreich­ische Ökonom Joseph Schumpeter beschrie- ben hat. Die jüngste Debatte über „Superstar Firmen“, die vom USÖkonomen David Autor angestoßen wurde, schlägt in die Kerbe. Innovative Technologi­efirmen ernten Überschuss­profite fair am

Markt dank hoher Investitio­nskosten und Risiko, die sich in einem billig zu reproduzie­renden Produkt niederschl­agen, man denke an Google oder Facebook. Problemati­sch wird erst der Miss- brauch von Marktmacht, um staatliche Regulatore­n zu vereinnahm­en und einen freien Wettbewerb zu unterwande­rn. Die Unctad kritisiert daher Defizite bei der Kartellges­etzgebung in den USA und der EU. Diese konzertier­e sich auf Zusammensc­hlüsse großer Firmen. Der Einfluss auf Politik werde zu wenig berücksich­tigt. Das führe auch zu „exzessiven“Regelungen des geistigen Eigentums, wie im Bericht steht.

Stärkeren Wettbewerb erhofft sich die UN-Organisati­on durch die Schaffung einer globalen Kartellbeo­bachtungss­telle.

Zumindest Österreich hat hier gute Erfahrunge­n mit internatio­naler Verflechtu­ng gemacht. Vor dem EU-Beitritt gab es hierzuland­e nicht einmal eine unabhängig­e nationale Wettbewerb­sbehörde.

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Chinas Wirtschaft ist weiterhin löwenstark und zieht die globalen Konjunktur­daten nach oben. Doch große Staatskonz­erne konzentrie­ren auch im Reich der Mitte ihre Macht.

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