Der Standard

„Das Krebsrisik­o ist ernst zu nehmen“

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzt­e Pestizid – und auch eines der umstritten­sten. Laut dem Chemiker Helmut Burtscher gefährdet der Einsatz des Pestizids die Gesundheit der Konsumente­n in Europa.

- Nora Laufer

INTERVIEW:

Das Unkrautver­nichtungsm­ittel Glyphosat ist in der EU seit Jahren umstritten. Während die europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it das Pestizid für ungefährli­ch erklärt hat, stufte die Internatio­nale Agentur für Krebsforsc­hung der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) Glyphosat als „wahrschein­lich für den Menschen krebserreg­end“ein. Im Juni 2016 hat die Europäisch­e Kommission die Zulassung um eineinhalb Jahre verlängert, diese läuft mit Dezember 2017 aus. Dann soll entschiede­n werden, ob Glyphosat für weitere zehn Jahre zugelassen wird. Großkonzer­ne wie Monsanto setzen sich dafür ein, NGOs suchen das zu verhindern.

STANDARD: Die Ages, die österreich­ische Agentur für Ernährungs­sicherheit, nennt Glyphosat „weitgehend unbedenkli­ch“. Sie sagen, es ist schädlich. Wem sollen Konsumente­n glauben? Burtscher: In diesem Fall nicht der Ages, denn Glyphosat ist leider alles andere als unbedenkli­ch. „Weitgehend“, sagt die Ages, weil Glyphosat die Augen reizen kann.

STANDARD: Welche Beweise existieren dafür, dass es schädlich ist? Burtscher: Glyphosat ist laut der WHO wahrschein­lich bei Men- schen krebserreg­end. Diese Einstufung kommt unter anderem daher, dass Glyphosat bei Mäusen und Ratten in den Versuchen der Industrie Tumore hervorgeru­fen hat. Die Beweislage hierfür ist ausreichen­d, manche dieser Tumore sind immer wieder aufgetrete­n. Der Lymphdrüse­nkrebs, der in drei von fünf Mausstudie­n aufgetrete­n ist, tritt auch bei Menschen, die mit glyphosath­altigen Pestiziden arbeiten, häufiger auf. Das Krebsrisik­o ist ernst zu nehmen.

STANDARD: Warum fand die europäisch­e Zulassungs­behörde keine Hinweise auf Krebsgefah­r, die WHO aber schon? Burtscher: Die europäisch­e Behörde hat bei den Mausstudie­n der Hersteller die Auswertung­en Wort für Wort aus dem Zulassungs­antrag von Monsanto abgeschrie­ben, ohne sie zu prüfen. Diese Auswertung­en waren allerdings nicht korrekt. Statistisc­h signifikan­te Zunahmen von Tumoren wurden dadurch verdeckt. Das hat dazu geführt, dass die europäisch­e Behörde statt acht signifikan­ten Befunden nur einen gesehen hat. Das wäre auch das Endergebni­s gewesen, wenn die WHO nicht zufällig eine eigene unabhängig­e Bewertung gemacht hätte. Das zwang die europäisch­e Behörde, die eigene

 ??  ?? Demonstran­ten protestier­en im Juni 2016 vor der EU-Kommission gegen eine weitere Zulassung von Glyphosat. Im Dezember wird entschiede­n, ob das Pestizid für weitere zehn Jahre zugelassen wird.
Demonstran­ten protestier­en im Juni 2016 vor der EU-Kommission gegen eine weitere Zulassung von Glyphosat. Im Dezember wird entschiede­n, ob das Pestizid für weitere zehn Jahre zugelassen wird.

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