„Putsch“: ORF im Wahlkampfmodus
Stiftungsrat: Kritik an „Sommergesprächen“, Befangenheit
Wien – „Putsch“, „Befangenheit“, „Glaubwürdigkeit“: Die Wortwahl der Stiftungsräte war am Donnerstag im ORF deutlich und lässt Rückschlüsse auf den aktuellen Wahlkampf zu, während dem es gern auch einmal direkter sein darf. Einen „Putsch“der Bundesländer sah etwa FP-Stiftungsrat Norbert Steger im Treffen der Länderstiftungsräte vergangenen Samstag in Salzburg. Steger bastelt schon mit der FPÖ an einem neuen ORF-Gesetz.
„Bis zum neuen Gesetz ist es ja nicht mehr lang“, blickte Steger mit kaum verhohlener Vorfreude Koalitionsverhandlungen seiner Partei entgegen. Das Medienkapitel werde er da wohl mitverhandeln, meinte er im Gespräch mit Journalisten. Wie berichtet, hat er bereits mehrere Versionen für eine ORF-Reform in der Schublade. Was seiner Ansicht nach geändert werden muss: „Der öffentlich-rechtliche Auftrag ist nicht ausreichend definiert.“Der ORF solle auch künftig finanziert werden, aber „nicht für die Quote“, sondern die Erfüllung eines klaren Auftrages.
Der Stiftungsrat selbst sei mitnichten „entpolitisiert“– künftig sollen ihn die Parteien zwar auch nicht mit Politikern, aber „deklariert“bestücken. Den Stiftungsrat will Steger von 35 auf zwölf Mitglieder reduzieren: „Das ganze Brimborium gehört weg.“Die Länder sollten einen „Beirat“erhalten, der ein Mitglied entsendet. Der ORF werde auch „nur überleben, wenn er die Länder und die Landesstudios ernst nimmt“, sagte Steger. Dessen „Putsch“-Sager erboste wiederum das Kärntner Mitglied Siggi Neuschitzer: „Wenn sich neun Stiftungsräte Gedanken und Sorgen über die Landesstudios machen, und dann ein Wiener Stiftungsrat von ‚Putsch‘ spricht, dann weiß ich nicht, ob der noch richtig in diesem Gremium ist.“Man vertrete nicht die Interessen der Länder, sondern arbeite für den ORF.
Eine „Scheindiskussion“über die Sommergespräche sah der SPÖ-Freundeskreisleiter Heinz Lederer. Er habe das „Gefühl“, dass „in Zeiten des Wahlkampfs“nicht nur „persönliche Verunglimpfung“von Journalisten betrieben, sondern ein Vorstoß in Richtung Reglementierung der ORF-Journalisten versucht werde. Ganz anders Thomas Zach, Leiter des ÖVP-Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat, er erneuerte noch vor Beginn der Sitzung seine Kritik: „Ich habe keine Zweifel an Tarek Leitner als Journalist, aber an Alexander Wrabetz als Infochef.“Grund für die Diskussion sind diverse gemeinsame Urlaube der Familien von Kanzler Christian Kern und Sommergespräche- Moderator Leitner, die für Vorwürfe der Befangenheit sorgen. „Zu so einer Situation würde es nicht kommen, wenn der Generaldirektor seinen eigenen Verhaltenskodex einhalten würde“, sagte Zach.
„Ich beteilige mich nicht an Ersatzdiskussionen“, sagte Steger mit Blick auf die anhaltende Aufregung über die Urlaubsvergangenheit des ORF-Moderators mit dem Kanzler. ORF-Generaldirektor Wrabetz werde seiner Ansicht nach jedenfalls nicht dafür in Erinnerung bleiben, dass er „Objektivität im Sinne der BBC verankert hat“.
Steger greift Leitners Interviewführung mit Kern direkt an: „Wieso hat er keine einzige kritische Frage gestellt? Jeder hat gesehen, wie unterschiedlich die Diskussionen verlaufen sind.“Wrabetz stellte sich weiter hinter Leitner, dieser habe nach gesetzlichen Vorgaben der Objektivität gefragt. Insgesamt gelassener brachte es Stiftungsrat Franz Küberl für sich auf den Punkt: „Sind ja alles nur Menschen hier.“(prie, APA)