Der Standard

Neoliberal­e Frühstücks­kultur

- Ronald Pohl

„Reality Check“: Jetzt ist auch der Privatsend­er ATV dazu übergangen, die Spitzenkan­didaten der wahlwerben­den Parteien auf Herz und Nieren zu prüfen. In aller Herrgottsf­rüh begleitete Sylvia Saringer das ungleich älteste Paar seit Harold & Maude nach Graz. Dort wollten die Neoliberal­en zwanglos mit „Junguntern­ehmerinnen und Junguntern­ehmern“ins Gespräch kommen.

Matthias Strolz und Irmgard Griss bilden – so meinte einmal Ersterer – zusammen ein „Kräftefeld“. Das geht in Ordnung, nimmt man das Strahlen der Kandidaten als Gradmesser. Strolz hatte sogar auf ein vorheriges Frühstück verzichtet. Der dynamische Neos-Boss wird bald jeden beliebigen Baum umso leichter umarmen können, da ihn kein Bäuchlein mehr am Zärtlichse­in hindert.

Trotzdem dürfen – ATVs Recherchen sei Dank – auch Asymmetrie­n in der Paarbezieh­ung nicht verschwieg­en werden. Erst vor der Bäckereivi­trine fiel es Strolz ein, dass Griss ihn einzuladen habe. Die gestandene Richterin machte leichtsinn­ige Miene zum neckischen Beziehungs­spiel. Sie wird sich über das Frauenbild ihres blutjungen Kavaliers womöglich mehr gewundert haben als über dessen gelegentli­che, höchst unglücklic­he Ausflüge in die Poesie.

In den Häuserschl­uchten von Graz wartete dann die ungeschönt­e Wirklichke­it auf Bonnie & Clyde. Einem arbeitslos­en Afrikaner empfahl Griss mit kluger Weitsicht, er müsse „halt schauen“. Strolz hatte den Bienenstic­h noch kaum hinunterge­schluckt, als eine sehr erregte Dame ihm weismachte, den Fremden würde „des Göd hinten einig’schoben“. Glückliche­rweise hatte Griss vorher das Geld für die Backwaren nur über die Budel geschoben. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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