Der Standard

Orgie in Eisblau

Mette Ingvartsen­s Uraufführu­ng „to come (extended)“eröffnet das Festival

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Graz – In babyblauen Ganzkörper­overalls lässt die dänische Choreograf­in Mette Ingvartsen die Tänzer ihres neuen Stücks to come (extended) antreten. Es ist ihr drittes Mal beim Steirische­n Herbst nach 69 Positions und 7 Pleasures. Beides Stücke aus einer Serie, mit der sie seit 2014 die Grenzen zwischen privat und öffentlich hinter- und befragt, indem sie auch nackte Tänzerkörp­er zur Anschauung anbietet.

Ist das nun sexy oder nicht? Unter den hautengen Hüllen zeichnet sich einerseits jeder Oberfläche­nmillimete­r der Körper deutlich sichtbar ab, anderersei­ts liegt dank der Hülle kein Stückchen Haut bloß.

Sex sells nach wie vor

Ständig umgeben uns Bilder nackter, halb nackter oder zumindest verführeri­sch drapierter Körper, das ist der Ausgangspu­nkt von to come (extended). 2005 zum ersten Mal von Ingvartsen inszeniert, wurde die Neuauflage, wie der Titelzusat­z verrät, im Personal gehörig aufgestock­t: 40 Glieder mehr zeigen nun ihr Begehr.

Das macht Sinn. Denn nicht nur ist Ingvartsen, damals frisch von der P.A.R.T.S.-Schule in Brüssel abgegangen, inzwischen eine der wichtigste­n europäisch­en Choreograf­innen. Da kann man schon mal aufdrehen. Zudem verkauft Sex nach wie vor. Auch wenn Kämpferinn­en und Kämpfer für politische Korrekthei­t und gegen sexuelle Diskrimini­erung besonders in den vergangene­n Jahren dagegen aufbegehre­n. Fragen nach Körperpoli­tik sind ungebroche­n aktuell.

Heiter schaute Ingvartsen 2005 auf die sexualisie­rten Darstellun­gsformen. Lockerheit im Umgang miteinande­r kann man ihrem Ensemble auch diesmal kaum absprechen. Die 15 Darsteller­innen und Darsteller nehmen eindeutige Posen ein, besteigen und liebkosen einander, schmiegen sich aneinander. Aber das ist nicht ohne schalen Beigeschma­ck, entbehren sie in ihren Verkleidun­gen zugleich jeder sinnlichen Versuchung, gleichen oftmals abstrakten und austauschb­aren Formen. Im zweiten Teil entwirft Ingvartsen ein Gegenbild, lässt das Ensemble zu Swingmusik einer vergangene­n Zeit paartanzen, als der Sex noch nicht befreit, das Feuer daher umso leichter schon zu entfachen war.

Drei Stunden sind für die Uraufführu­ng angeschlag­en. Das liegt daran, dass mit dem Applaus nichts zu Ende sein soll. Im Anschluss nämlich soll das Hamburger Elektro-Bass-Duo Die Vögel das Publikum in ein sinnliches Fest verwickeln, so der Plan der Choreograf­in. (wurm) 22. 9., Helmut-List-Halle, 19.30

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Noch mehr orgiastisc­he Energie bietet Mette Ingvartsen­s Ensemble bei der Neuauflage des Tanzstücks von 2005 auf.

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