Der Standard

Zwischen Osten, Westen, Fakt und Fiktion

Fragen des kulturelle­n Gedächtnis­ses und seiner Institutio­nen treiben den libanesisc­hen Künstler Walid Raad um. „Kicking the Dead“heißt seine Ausstellun­g beim Steirische­n Herbst, die Einblicke in seine Recherchen rund um den Louvre Abu Dhabi gibt, der End

- Roman Gerold

Graz – Die islamische Kunst, den Ersten Weltkrieg und den Aufbau neuer Infrastruk­turen für Kunst in der arabischen Welt thematisie­rt der libanesisc­he Künstler Walid Raad beim Steirische­n Herbst. Kicking the Dead heißt seine Ausstellun­g, die sich über vier Räume des Palais Attems erstreckt. Sie besteht aus Objekten, Videos und Powerpoint-Präsentati­onen, wird aber auch zum Bühnenbild für performati­ve Führungen, die der Künstler in den ersten beiden Festivalwo­chen leiten wird.

Von jeher interessie­rt sich Raad, einer der wichtigste­n Protagonis­ten der arabischen Gegenwarts­kunst, für die Frage, wie Geschichte und Erinnerung­en kon- struiert werden. Bezugnehme­nd auf politische Konflikte im Mittleren Osten thematisie­rte er immer wieder – u. a. in dem von ihm initiierte­n Projekt The Atlas Group – das kulturelle Gedächtnis und dessen Institutio­nen. In Graz lässt Raad an seinen Recherchen über das in jüngster Zeit neu erblühte Interesse an arabischer Kunst im Westen teilhaben.

Ein Zentrum seiner Forschunge­n bildete dabei der Louvre Abu Dhabi, der Ende 2017 eröffnet wird – ein Vorstoß gen Osten, dem 2012 die Eröffnung eines islamische­r Kunst gewidmeten Flügels im Pariser Louvre voranging. Den Aufbau dieser Sammlung begleitete Raad auf Einladung drei Jahre lang, und ein in dieser Zeit entstanden­es Video bildet nun auch den Auftakt der Ausstellun­g Kicking the Dead. Offizielle­s Videomater­ial trifft darin auf Erzählunge­n, Berichte, Interviews und Diskursver­satzstücke, die Raad in Paris und Abu Dhabi einsammelt­e.

Wie schon in früheren Arbeiten lässt Raad auch im Palais Attems Fakt und Fiktion verschwimm­en. So widmet sich ein Teil von Kicking the Dead etwa Kunstgegen­ständen, die beim Überstelle­n von Paris nach Abu Dhabi ihren Schatten verloren haben sollen. Aufgehängt ist diese Geschichte an drei in Graz gezeigten Objekten mit bloß gemaltem Schatten.

Ein anderes Schauermär­chen Raads über die Post ist dieses: Eine arabische Kuratorin habe um 1970 aus Europa Werke für das AbuDhabi-Museum angekauft. Als diese ihrem Chef missfielen, sollten sie nach Europa zurückgesc­hickt werden. Allein, so Raads Fiktion: Die Postsendun­g wurde zum Bumerang, sie kam immer wieder zurück. Erst als besagte Kuratorin auf 23 Holzkisten Spiegelbil­der der ungeliebte­n Werke malte, soll der Spuk ein Ende gehabt haben.

Angebliche Kopien dieser magischen Kisten zeigt Raad nun in Graz. Bei seinen performati­ven Führungen spricht der Künstler dann indes, ausgehend von den Sammlungen Erich Maria Remarques und Paulette Goddards, denen die verfluchte­n Werke entstammen sollen, auch über in der Realität verwurzelt­e Fragen der Sammlungsp­olitik. 23. 9. bis 14. 10.

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Der Künstler Walid Raad zeigt in seiner Ausstellun­g „Kicking the Dead“Objekte, die er dann bei performati­ven Führungen zum Ausgangspu­nkt für reizvoll zwischen Fakt und Fiktion flottieren­de Erzählunge­n macht.

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